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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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schreckte jaulend zurück, wirbelte herum und floh in die Gasse.
    »Bleib hier, du blöder Köter!«, brüllte Slit und strampelte noch heftiger. »Hooter! Hilf mir gefälligst oder ich schlitz dich auf.«
    »Komm!«, raunte Arian über die Schulter und lief los. Mit Mira im Schlepptau durchquerte er den Flur. An der Haustür warf er einen Blick nach rechts.
    Slit ragte mit dem Oberkörper aus der Treppe, die nun nicht mehr nach massivem Sandstein, sondern wie morsche Eiche aussah. Die Fackel lag ein paar Stufen weiter oben und hatte das trockene Holz in Brand gesteckt.
    Arian zögerte. Falls der Dicke sich nicht befreien konnte, würde er unweigerlich verbrennen.
    »Geh schon! Der Kerl ist ein Mörder und hat den Tod verdient«, drängte Mira.
    »Wenn wir ihm nicht helfen, sind wir nicht besser als er«, antwortete Arian.
    Sie schnaubte. »Hast du ihn nicht gehört? Er will dich aufschlitzen.«
    Er sah sie nur mit leidendem Blick an.
    Mira schüttelte zornig den Kopf. Dann stieg sie aber doch wie auf Eiern, eine Hand immer am Geländer, die Treppe hinauf. Sie trat Slit mit Hooters unbändiger Kraft in den Rücken. Die morschen Stufen brachen vollends ein und er verschwand samt der brennenden Fackel in einem dunklen Loch. Aus dem Keller drang ein gellender Schrei. Danach herrschte Stille. Nur das Knistern der Flammen war zu hören.
    Mira hangelte sich am Treppengeländer aufs sichere Terrain zurück. »Bist du jetzt zufrieden?«, fauchte sie.
    »Danke«, sagte Arian und schleppte seinen alten Leib in die Nacht hinaus.

    »Feuer!«, japste Arian. Er bekam kaum Luft. Konnte nicht wenigstens Zedekiahs Stimme stark sein? Krächzend wiederholte er den Warnruf. »Feuer! Feuer!«
    »Still!«, zischte Mira. Sie hatte nach dem Verlassen des Hauses im Nu zu ihm aufgeschlossen. Er – eigentlich Zeds fußlahmer Körper – gab das Tempo vor, während die beiden auf das Ende der Gasse zusteuerten. Vor ihnen schimmerte schwach das Licht einer Straßenlaterne durch den Nebel.
    Irgendwo öffnete sich ein Fenster. »Was ist da los?«, rief jemand.
    »Das hast du nun davon!«, beschwerte sich Mira.
    Arian ignorierte sie. »Feuer! Wir brauchen Hilfe!«
    »Wir?«, schnaubte Mira zornig. »Jetzt knüpfen sie uns als Brandstifter auf. Oder die Kumpane des Fettkloßes stechen uns ab.«
    »Das glaub ich nicht«, widersprach er. »Slit hatte Monster dabei. Der Köter ist gefährlicher als zwanzig Aufpasser. Abgesehen davon muss sich einer um das Feuer kümmern, sonst brennt das ganze Viertel ab.«
    »So weit wird’s schon nicht kommen.«
    Er verharrte mitten im Schritt und schüttelte den Kopf. »Hast du denn überhaupt ein Herz?«
    Sie blieb ebenfalls stehen und stöhnte. »Ja, das von diesem Hooter. Ist kein schlechtes Herz. Kannst übrigens deinen Giftstachel wegstecken. Den Fettkloß sehen wir so schnell nicht wieder.«
    Missmutig schob er das Stilett in die Innentasche des Rocks, wobei er prompt das Futteral verfehlte. Entnervt über seine zittrigen Hände und auch nicht willens, sich in diesem Moment eine Blöße zu geben, ließ er es einfach stecken. »Ich mein’s ernst, Mira. Sind alle Seelendiebe so wie du?«
    »Was meinst du?«
    »Du hättest Slit bei lebendigem Leibe verbrennen lassen.«
    »Meinst du, jetzt ist er besser dran?«
    »Wenigstens hat er eine Chance, seine Haut zu retten. Ich verstehe dich nicht.«
    »Entschuldige, falls ich nicht so feinfühlig bin wie du«, fauchte sie und setzte sich wieder in Bewegung.
    Arian keuchte hinterher.
    Sie zügelte ihren Schritt, bis er sie eingeholt hatte. »Hast du je mit anderen Kindern gespielt?«
    »Was?« Er blinzelte verwirrt. »Natürlich. Selten zwar, weil ich bei einem fahrenden Puppenspieler aufgewachsen bin. Aber ja, sooft wie möglich habe ich gerne mit anderen Jungen oder Mädchen herumgetobt. Aber was soll das mit deiner Gefühlskälte zu tun haben?«
    »Ich bin nicht kalt, nur … verschlossen«, antwortete sie auf eine merkwürdig verletzliche Art. Aus Hooters Mund klangen ein solches Geständnis ungewohnt.
    »Hat es mit dem Tod deiner Eltern zu tun?«
    »Eher damit, wie sie zu Lebzeiten waren. Sie verboten mir, mit anderen Kindern zu spielen. Mama lebte ständig in der Angst, ich könnte einem Nachbarskind den Körper stehlen. Na ja, und Papa hatte kaum Zeit für mich – er meinte, Kindererziehung sei Frauensache. Irgendwann habe ich von mir aus niemanden mehr an mich herangelassen, mit Ausnahme von meinen Eltern und dem alten Zed. Sogar die Dienerschaft hielt ich

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