Die Masken des Morpheus
so eng miteinander befreundet, dass sie sich gegenseitig schworen, für die Familie des anderen zu sorgen, falls einem was zustößt.«
»Ist das wahr?«
»Weshalb sollte ich mir so etwas ausdenken?«
»Ich wundere mich nur, weil ich dasselbe vor ein paar Stunden schon einmal gehört habe. Mein Vater muss geahnt haben, dass er sterben könnte. Angeblich hatte er verfügt, dass ich zu euch nach Paris gebracht werde.«
Hooters Stirn krauste sich. »Dann wärst du heute mein Bruder.«
Arian nickte. »Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich beim Namen Baladur du Lys misstrauisch geworden bin.«
»Dieser Xix ist der engste Vertraute Mortimers, und er ist ein Hochstapler, wie er im Buche steht. Papa meinte, er tausche seine stofflichen Hüllen wie Pferde ihre Hufeisen. Scheinbar stecken die beiden wirklich hinter der Verschwörung gegen deine Eltern. Das Ganze könnte aber auch eine List von jemand anderem sein, um deinen Urgroßvater zu belasten. So bliebe der wahre Dieb unerkannt.«
Er stöhnte. »Na wunderbar! Ich jage also ein Phantom. Wie soll ich da jemals meinen Körper wiederfinden?«
Mira sah ihn aus Hooters Augen durchdringend an. Auf einmal drehte sie die vergiftete Klinge nach unten und reichte ihm das Stilett. »Steck’s weg, ehe noch einer zu Schaden kommt. Aber pass auf, dass sich unsere Hände nicht berühren.«
»Du meinst, weil wir dann die Plätze tauschen?«
»Nur, wenn der Hautkontakt kurz genug ist. Würde ich dich länger festhalten, geschähe nichts.«
Das hatte er nicht gewusst. Offenbar wollte Mira seinen Argwohn zerstreuen, indem sie ihm dieses Geheimnis verriet. »Du vertraust mir?« Er nahm die Waffe und verstaute sie in dem Lederfutteral.
»Ich traue keinem. Andererseits glaube ich auch nicht, dass dein Urgroßvater dich auf mich angesetzt hat. Das macht uns irgendwie zu Verbündeten: Du willst diesen Seelendieb fangen, um deinen Körper zurückzukriegen, und ich muss die Wahrheit über den Mörder meiner Eltern herausfinden. Wir sollten uns zusammentun. Nur vorübergehend, versteht sich. D’accord? «
Nach all den Wirrungen der letzten Stunden wusste Arian nicht, wem er überhaupt noch trauen durfte. Er würde auf der Hut bleiben müssen. »Einverstanden. Wer immer die Morde an unseren Eltern verschuldet hat, er soll dafür die gerechte Strafe erhalten. Hast du außer Mortimer jemand Bestimmten im Sinn, der mir den Körper gestohlen haben könnte?«
»Schon mal was von Ikela gehört?«
»Nein. Ist das ebenfalls so eine Swapperin?«
Mira nickte. »Eine Frau voller Geheimnisse, wie mir mein Vater erzählte. Sie sei auch eine Ewige – so nannte er jene, die sich auf Kosten anderer immer wieder erneuern. Manche behaupten, sie habe früher Ikelos geheißen, sei also ein Mann gewesen. Sollte Marádh tot sein, wäre sie die älteste Metasome auf Erden. Von ihm abgesehen kennt niemand die Stärken und Schwächen der Körpertauscher so gut wie sie. Beide haben sich in den Stammbaum der griechischen Götter und Halbgötter eingeschrieben, er als Morpheus und sie als Phobetor …«
»Ein Name aus Ovids Metamorphosen . Im Amphitheater meines Adoptivvaters bedienen wir uns ab und zu bei den klassischen Stoffen.«
Sie nickte. »Phobetor erscheint den Träumenden in Gestalt eines wilden Tieres. Ikela wurde übrigens so wie du von Morpheus zu einem Swapper gemacht . Gewöhnlich passiert das nur besonders begabten Menschen.«
»Wie meinst du das?«
»Ikela besitzt die Macht, Naturkräfte umzudrehen: Windrichtungen, Meeresströmungen, den Einfall des Lichts …«
»Warum sollte sie mir schaden wollen?«
»Bei ihr weiß man niemals, auf welcher Seite sie gerade steht. Sie hat sich zwar vor Hunderten von Jahren mit Morpheus verbündet, doch inzwischen könnte sie auch mit Mortimer unter einer Decke stecken.«
»Ist sie der Grund, weshalb du nach London gekommen bist?«
»Nein. Wäre bewiesen, dass Ikela an der Verschwörung gegen meine Familie beteiligt war, würde ich nicht zögern, ihr gegenüberzutreten. Aber so …« Mira schüttelte den Kopf. »Wer ihr zu nahe kommt, sagt man, den tötet sie.«
»Ich kann ihr ja auf den Zahn fühlen. Du müsstest mich nur zu ihr führen.«
Auf Hooters Stirn bildete sich eine steile Falte. »Hast du mir nicht zugehört, Arian? Diese Metasome ist wie ein Giftpilz: Er sieht gut aus, duftet verführerisch und er mundet dir sogar, doch dann bringt er dich auf grausame Weise um. Abgesehen davon lebt sie versteckt irgendwo in den deutschen Landen. Es
Weitere Kostenlose Bücher