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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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umwenden, bevor sich sein Magen entleerte. Er erbrach eine Pastete, die er nie gegessen hatte. Von hinten legte sich eine Hand auf seine Schulter, leicht wie ein kleiner Vogel.
    »Hammer wollte uns alle töten. Du hast in Notwehr gehandelt«, rief Mira.
    Das klang so vernünftig. Es war nicht einmal Absicht gewesen, in den Halunken zu fahren und ihn dadurch umzubringen. Trotzdem fühlte sich Arian hundsmiserabel. Er hatte seine Unschuld verloren.
    »Wir sollten hier verschwinden, Prinzessin«, erklang Hooters Stimme aus dem Hintergrund.
    Mira klopfte Arian auf die Schulter. »Zed hat recht. Kannst du schon wieder gehen?«
    Er nickte. »Wenn wir nicht rennen müssen. Bin noch ein bisschen wacklig auf den Beinen. Hammers Körper fühlt sich so … fremd an.«
    »Das gibt sich. Komm!«
    Sie liefen zwischen den Betten hindurch zur Tür. Es war eine bizarre Situation, die Arian nie vergessen würde. Fast wie in Dantes Göttlicher Komödie: Zu beiden Seiten schrien die gepeinigten Seelen, angekettet in der Verdammnis. Das passte zu seiner Verfassung. Er kam sich selbst wie ein Verfluchter vor, war er doch zu einem Seelendieb wider Willen geworden. Als sei ein Rudel Höllenhunde hinter ihm her, floh er in den Korridor.
    Dort war es vergleichsweise hell und still. Von den geflohenen Patientinnen fehlte jede Spur. Wahrscheinlich hatten sie längst das Weite gesucht – die Tür am Ende des Ganges stand offen. Arian wandte sich zu Mira um, die nach ihm aus dem Krankensaal trat. Im warmen Licht der Öllampe, die an der Wand hing, konnte er sie erst richtig betrachten. Ihr Anblick verschlug ihm die Sprache.
    Sie hatte eine feuerrote Mähne, die bis weit über die Schultern herabfloss. Der sich zur Mitte hin zuspitzende Haaransatz verlieh ihrem schönen, blassen Gesicht die Form eines Herzens. Dazu passten das spitze Kinn und die hohen Wangenknochen. Die Nase war schlank, fast noch mädchenhaft. Ihre vollen Lippen sahen aus, als seien sie zum Schmollen gemacht; unter dem rechten Mundwinkel saß ein vorwitziger Leberfleck. Aus ihren großen grünen Augen sah sie Arian fragend an.
    »Stimmt was nicht?«
    Ihm schoss die Schamesröte in die Wangen. »Äh … Doch! Ich frage mich nur, was für ein Kleid das ist.«
    Sie runzelte die Stirn, sah an sich herab und strich mit den Händen über den zerknitterten Stoff. Die taillierte Jacke betonte ihre weiblichen Rundungen. Sie war, ebenso wie der Rest des Kostüms, aus taubenblauem Tuch gearbeitet. »Typisch Mann – von Mode keinen blassen Schimmer. Das sind ein Rock und ein Caraco.«
    Inzwischen hatte auch Zed den Saal verlassen. Sein ausgeruhter Geist schien Hooters Körper regelrecht zu beleben. Über seiner Schulter hing eine Segeltuchtasche. Während er hinter sich die Tür ins Schloss zog, warf er Arian einen misstrauischen Blick zu und brummte: »Wer ist das?«
    »Arian Pratt. Der Sohn von Tobes und Salome Pratt. Er ist so alt wie ich«, antwortete Mira leise.
    Zed schob die Unterlippe vor und nickte. »Dein Vater war ein guter Mann.«
    »Sie kannten ihn?«, fragte Arian überrascht.
    »Ja. Lass uns später darüber reden. Kommt!« Er rückte den Trageriemen auf der Schulter zurecht und machte sich auf den Weg zum Seitenausgang.
    Die beiden Jugendlichen folgten ihm.
    »Was grübelst du?«, erkundigte sich Mira auf Höhe der Wachstube.
    Arian deutete zu Zed.
    Sie zuckte verständnislos mit den Achseln.
    Er nahm sich ein Herz und sprach laut aus, was ihn beschäftigte. »Es tut mir leid um Ihren Körper, Mr Blacksmith. Ich habe gerade dringesteckt, als mir jemand ein Messer in die Rippen jagte. Wenn Ihnen meiner besser gefällt, trete ich ihn gerne an Sie ab.«
    Hooters Gestalt blieb stehen und wandte sich grinsend zu den beiden um. »Darüber zerbrich dir mal nicht den Kopf, Jungchen. Ich fühle mich wie neu geboren.«
    »Sie wollen wirklich nicht tauschen?«, fragte Arian enttäuscht.
    »Auf keinen Fall«, antwortete Zed. Er drehte sich wieder um und lief weiter.
    »Was passt dir an deiner neuen Hülle nicht?«, flüsterte Mira.
    Er hob die Schultern. »Ich komme mir vor, als hätte ich Hammer bei lebendigem Leib die Haut abgezogen, um selbst hineinzuschlüpfen.«
    »Daran gewöhnt man sich.«
    »Ich hoffe nicht.«
    Zed betrat den unbeleuchteten Nebenraum. Die Tür nach draußen stand offen. Er durchquerte das Zimmer und streckte den Kopf in die Nacht. »Die Luft ist rein. Kommt!«
    Die drei huschten ins Freie und wandten sich nach rechts, wo es zur London Wall ging, der Straße,

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