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Die Masken des Morpheus

Die Masken des Morpheus

Titel: Die Masken des Morpheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Boden.
    Arian blinzelte. Da er jetzt im Körper von Turtleneck steckte – ein überraschend gutes Gefühl! –, hatte er sich auch wie ein echter Verbrecherkönig zu verhalten. Zur Probe gab er ein höhnisches Lachen von sich, was fürs Erste recht beeindruckend klang. Mira musterte ihn argwöhnisch. Hoffentlich hatte sie den Körpertausch bemerkt. Sie und Zed mussten mitspielen, damit er sie aus den Händen der Bande befreien konnte. »Mein allsehendes Auge hat ihn geschlagen«, antwortete er großspurig und machte mit dem Gehstock eine entsprechende Geste.
    »Ist er … tot?«, stammelte ein anderer Halunke, dessen Namen Arian nicht kannte.
    »Nein. Nur seinen Verstand hat der Feuerkristall eingeäschert, weil er mich zu betrügen versuchte. Sollte er jemals wieder aufwachen, wird er wahrscheinlich nicht mal wissen, wer er ist. Lasst euch das eine Warnung sein.«
    Einige Männer wichen erschrocken zurück. Redhead gehörte nicht dazu. Aus seinem Wildschweinmaul troff schleimiger Geifer. »Hat er Ihnen tatsächlich ein Geheimnis anvertraut, Boss?«
    »O ja! Damit wollte er sich mein Vertrauen erschleichen. Er ahnte nicht, dass mein Kristallauge ihn trotzdem durchschaut.«
    »Sagten Sie nicht, es sei trübe?«
    Arian lachte rau. »Das war eine List. Ich weiß jetzt, wie wir an den Schatz herankommen, von dem Hooter uns erzählt hat. Die beiden werden mich zu ihm führen, nicht wahr, Freunde?« Er deutete mit dem Stock auf die Falkenfrau und den Bärenmann.
    Zed nickte grinsend. Er hatte zum Glück begriffen, was hier gespielt wurde. »Klar, Sir. Bin froh, dass Sie nicht auf Hammer hereingefallen sind. Uns hätte er fast getäuscht.«
    Mira sah erst ihn an, danach wechselte ihr Blick zu Arian, und sie setzte ein keckes Lächeln auf. »Sie ahnen nicht, Sir, was der Kerl mit den großen Händen uns weismachen wollte. Er hat doch glatt behauptet, Sie zu sein.«
    »Ich?«, tat Arian verwundert.
    »Ja. Er sagte: ›Ich bin Francis …‹«
    »Still!«, unterbrach er sie schroff. »Ich will nicht, dass morgen sämtliche Spatzen meinen Namen von den Dächern pfeifen.« Wahrscheinlich hatte sie ihn von Zedekiah erfahren, der Turtleneck wohl länger als jeder andere seiner Ganoven kannte. Arian fröstelte. Er hatte eben genau so reagiert, wie es der Verbrecherkönig in dieser Situation getan hätte. Verwandelte er sich mit jedem Swap mehr und mehr in einen Halunken? Männer wie Hooter, Slit, Hammer und der King verkörperten alles, was er verabscheute. Er unterdrückte ein neuerliches Schaudern, als er sich Redhead zuwandte. »Bringt Hammer ins Quartier und sperrt ihn ein. Lasst euch nicht kirre machen, falls er weiter behauptet, ich zu sein. Hört einfach nicht hin.«
    »Und was tun Sie, Boss?«
    Arian grinste. »Ich hole mir jetzt, was mir rechtmäßig zusteht.«

Arian reist mit seinen neuen Gefährten nach Dover.
In der Nacht treffen sie unter den Weißen Klippen
den Fährmann, der sie nach Frankreich übersetzen soll.
      
      
      
    In Kent, 8. Juni 1793
      
    Die vierspännige Postkutsche jagte im halsbrecherischen Tempo von acht Meilen die Stunde über die holperige Straße nach Canterbury. An ihren Farben konnte man sie schon von Weitem als offizielles Fahrzeug des General Post Office erkennen: oben schwarz, unten kastanienbraun, Kutschbock, Fahrgestell und Räder waren scharlachrot. Ohne triftigen Grund durfte niemand die rasenden Wagen der Royal Mail aufhalten, nicht einmal die Beamten an den zahlreichen Zollstationen. Deshalb zog Mira dieses Transportmittel den privaten Beförderern vor, obwohl sie für sich, Zed und Arian den horrenden Preis von einem Penny pro Person und Meile hatte zahlen müssen.
    Die City of London lag bereits hinter ihnen, als die Sonne aufging. Ihr himmlisches Feuer loderte zwischen dem schmutzig grünen Horizont und der bleigrauen Wolkenbank, die sich über den Ärmelkanal zum Kontinent hinüberschob.
    Arian blinzelte nur ab und zu aus dem Fenster. Die meiste Zeit döste er vor sich hin. Er hatte seit vierundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen. Wahrscheinlich wäre er längst in tiefen Schlummer gesunken, wenn nicht Miras Haupt auf seiner Schulter gelegen hätte. Sie schnarchte leise vor sich hin, ihr unbändiges Haar kitzelte ihn am Ohr, und ihr Duft – eine Mischung aus den frischen Aromen der Bergamotte und anderer Zitrusfrüchte – stieg ihm zu Kopf. Am erregendsten war es allerdings, ihre Hand zu halten. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, hatte sie ihm zugeflüstert, damit sie

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