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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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hatte, das nötige Gewicht zu verleihen. «Und Tron ist auch nicht tot. Er konnte sich retten.»
    Boldù starrte Oberst Hölzl ungläubig an. «Commissario Tron lebt?»
    Oberst Hölzl nickte. «Er hat das Protokoll ebenfalls entziffert und dieselben Schlüsse gezogen wie Zorzi. Deshalb ist Spaur sofort zu Toggenburg gerannt, und beide hatten eine Unterredung mit Crenneville.» Oberst Hölzl stieß einen Seufzer aus. «Der über diesen Besuch nicht erbaut gewesen ist.»
    «Wie hat Crenneville reagiert?»
    «Er hat den Herren erklärt, dass wir Bescheid wissen und alles unter Kontrolle haben. Und dem Attentäter bereits eine Falle gestellt haben.»
    «Wird Tron sich jetzt heraushalten?»
    «Crenneville hat sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass der Fall für die venezianische Polizei erledigt ist.»
    «Also ändert sich nichts?»
    Oberst Hölzl schüttelte den Kopf. «Absolut nichts.»
    Boldù war bereits aufgestanden. «Und wo finde ich den Koffer mit dem Gewehr?»
    «In der Kiste unter der Dachluke, von der Sie feuern werden», sagte Oberst Hölzl. «Wenn diese Operation ein Erfolg wird», fügte er hinzu, «fallen wir beide die Karriereleiter nach oben. Und es ist völlig belanglos, ob dieser Tron Bescheid weiß oder nicht.»

48
    Das Café Quadri war brechend voll, die verqualmte Luft zum Schneiden und sämtliche Stühle bis auf den letzten Platz besetzt. Überall standen Gruppen von Offizieren herum, die darauf warteten, dass Plätze frei wurden, sodass die befrackten Kellner Mühe hatten, mit ihren Tabletts zu den Tischen zu gelangen. Die kaiserliche Ankunft am gestrigen Tag schien, zusätzlich zu den bereits vorhandenen Militär personen, einen weiteren gewaltigen Zustrom von Militärpersonal in die Lagunenstadt bewirkt zu haben. Offiziere aller möglichen Waffengattungen quollen wie Hefeteig aus den Hoteleingängen, wälzten sich durch die Gassen von San Marco und hatten den Markusplatz in ein riesiges Feldlager verwandelt. Zweimal hatte sich der Kaiser am Fenster seines Arbeitszimmers gezeigt, und jedes Mal waren donnernde Hochrufe zum ersten Stock des Palazzo emporgeschallt.
    Nachdem Tron sich fünf Minuten lang durch wartende  Offiziere gedrängt und unzählige Male permesso gemurmelt hatte, entdeckte er Königsegg an einem Zweiertisch an der Rückwand des Quadri. Er trug die Uniform eines kaiserlichen Generalleutnants und saß in aufrechter Haltung auf seinem Platz. Vermutlich hatte er den freien Stuhl auf der anderen Seite des runden Tischchens mehrfach verteidigen müssen. Im Gegensatz zu ihrer letzten Begegnung auf der Questura wirkte der Oberhofmeister der Kaiserin heute nüchtern und präsent. Ein wenig eigenartig war allenfalls der junge Hund, der unter dem Tisch des Grafen lagerte, aber da die hohen Herren alle ihre Marotten hatten, nahm wahrscheinlich niemand daran Anstoß.
    Königsegg war dienstfertig aufgesprungen, als Tron sich seinem Tisch genähert hatte. Er hatte ihn mit zeremonieller Höflichkeit begrüßt – was die in der Nähe sitzenden Offiziere dazu bewogen hatte, die Köpfe zu drehen: Was hatte den Generalleutnant wohl dazu veranlasst, diesen Zivilisten wie einen veritablen Erzherzog zu behandeln?
    «Wegen Spartacus», sagte Königsegg, nachdem Tron auf der anderen Seite des Tisches Platz genommen hatte, «trinke ich jetzt nur noch Kaffee, wenn ich in eine Wirtschaft gehe.» Er beugte sich hinab, um dem kleinen Welpen den Kopf zu tätscheln, der sich zu seinen Füßen zusammengerollt hatte. «Er mag es nicht, wenn Herrchen nach Cognac riecht.»
    Spartacus, ein kraftvoller Welpe von der Größe einer kleinen Katze, hatte ein schwarz-weiß geflecktes Fell und eine auffällig ausgeprägte Kinnlade. Neben ihm stand ein Teller mit Kuchenresten, die Schokoladenkrümel ließen auf eine Sachertorte schließen. Ein wenig Schlagsahne klebte an der Nase des Hundes. Ob Spartacus auch einen Kaffee zu seiner Torte getrunken hatte? Nein, offenbar nicht. Tron hatte die kleine Schale mit Wasser übersehen, die einen Schritt vom Teller entfernt an der Wand stand.
    «Diese spezielle Hunderasse», erklärte Königsegg, «wird später einmal sehr kräftig. Wenn seine Zähne sich weiterentwickelt haben, gehen wir von Kuchen und Torte zu Fleisch über und wenden uns, äh, lebenden Objekten zu.»
    Es blieb unklar, was Königsegg unter lebenden Objekten verstand, und irgendetwas hielt Tron davon ab, ihn danach zu fragen.
    «Sie wissen, dass ich in Ihrer Schuld stehe, Commissario», sagte Königsegg, nachdem er

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