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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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ist ein Fall für die Militärpolizei?»
    «Ja, sicher. Zumal uns deutlich signalisiert wurde, dass man uns für unzuverlässig hält. Spaur wird den Fall auf der Stelle abgeben.»
    Bossi lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. «Spaur hält nicht viel von der Militärpolizei.»
    «Ich auch nicht. Aber wir haben keine Wahl. Wir müssen die Kommandantura informieren. Sonst wird man uns unterstellen, dass wir mit den Verschwörern unter einer Decke stecken.»
    «Die Militärpolizei wird diese Leute nie fassen.»
    Tron deponierte seine Kaffeetasse behutsam neben der Untertasse mit den Schießpulverresten – den Sprengpulverresten. Dann sagte er: «Man kann den Besuch des Kaisers noch immer verschieben.»
    «Das wird nicht geschehen. Es wäre ein Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit», sagte Bossi. «Ist Ihnen klar, was es für Folgen hat, wenn es zu einem Attentat auf den Kaiser kommt? Dass ein Sprengstoffattentat Dutzende von Toten bedeuten kann?» Er machte eine bedeutungs volle Pause. «Auch die Kaiserin wäre in Gefahr.»
    «Es ist Spaurs Entscheidung», insistierte Tron. «Und er wird den Fall abgeben.»
    Bossi schwieg einen Moment. Als er sprach, hatte er diesen speziellen Gesichtsausdruck, den Tron bereits kannte.

    «Wir könnten vielleicht …» Bossi brach den Satz ab und sah Tron fragend an.
    Tron musste lachen. «Die Ermittlungen hinter dem  Rücken von Spaur weiterführen?» Er schüttelte energisch den Kopf.
    «Nur für ein paar Tage», sagte Bossi. «Wenn wir Sonntagabend nicht einen großen Schritt weiter sind, dann …»
    Aber Bossi konnte den Satz nicht zu Ende sprechen,  denn in dem Moment klopfte es an der Tür. Es war sergente Vazzoni, der auf der Schwelle stand. Er salutierte und machte ein verlegenes Gesicht.
    «Was gibt es, Vazzoni?»
    «In einer Wohnung am Campo San Maurizio, direkt  über der macelleria ist jemand ermordet worden», sagte Vazzoni. «Ein Nachbar war auf der Wache an der Piazza. Seine Frau wollte dem Mann, der dort wohnt, die Zeitung bringen. Aber der lag auf dem Boden seines Wohnzimmers, und neben ihm stand ein anderer Mann mit einem Revolver in der Hand.»
    «Der Mörder?»
    «Das weiß ich nicht.»
    «Hat die Frau vorher einen Schuss gehört?»
    «Davon hat ihr Mann nichts gesagt.»
    «Hat der Mann mit dem Revolver die Frau bedroht?»
    «Ja, das hat er. Aber die Frau konnte fliehen.»
    «Wo ist der Nachbar jetzt?», erkundigte sich Bossi.
    «Mit Valli und Malpiero auf dem Weg zum Campo San  Maurizio», erklärte Vazzoni. «Seine Frau steht unter Schock. Er wollte schnell wieder zu ihr zurück.»
    «Dann schicken Sie jemanden ins Ognissanti zu Dr. Lionardo», sagte Tron. Er erhob sich von seinem Schreibtisch. «Der dottore möchte sofort zum Campo San Maurizio kommen. Und sorgen Sie dafür, dass wir in zehn Minuten eine Gondel haben.» Tron wandte sich an Bossi.
    «Wie lange brauchen Sie, um Ihre Ausrüstung zusammenzupacken?»
    Bossi war ebenfalls aufgestanden. Er rieb sich unternehmungslustig die Hände. «Drei Minuten. Es steht alles bereit.
    Trockenplatten, Kamera, alles.» Er hielt inne und sah Tron unsicher an. «Vielleicht könnten Sie mir …»
    Tron ahnte, was jetzt kam. Er seufzte. «Das Stativ tragen?»
    Bossi nickte. «Ja, Commissario. Und was machen wir  mit Spaur?»
    Tron zuckte die Achseln. «Mit dem rede ich, wenn wir wieder zurück sind.»

25
    Natürlich hatte sich die Nachricht von einem Mord in der Wohnung über der macelleria wie ein Lauffeuer in der Nachbarschaft verbreitet. Als Trons hochgerüstete Polizeitruppe den Campo San Maurizio im Gänsemarsch überquerte, hatte sich ein Pulk schwatzender Anwohner vor dem Haus versammelt.
    Tron, in Gehrock und Zylinder, schritt der uniformierten Abteilung voran, wobei er sich bemühte, Bossis hölzernes Stativ wie einen Spazierstock zu handhaben. Es folgte Bossi, der eine Leinentasche mit dem schwarzen Tuch und einen polierten Mahagonikasten mit der Kamera trug. Hinter ihm lief sergente Vazzoni, in jeder Hand einen Holzkof fer, in denen sich die geheimnisvollen Gelatine- Trockenplatten befanden. Der Polizeigondoliere, beladen mit zwei weiteren Holzkoffern, in denen die spiegelverstärkten Petroleumlampen Bossis untergebracht waren, bildete die Nachhut. Auf jeden Fall, dachte Tron, war dies eine eindrucksvolle Demonstration moderner Polizeitechnik, wie Bossi sich auszudrücken pflegte. Und er fragte sich, was man in ein paar Jahren zum Tatort schleppen würde, wenn die Technik weiter so rasante Fortschritte

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