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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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machte. Würden sie in Zukunft mit Mikroskopen ausrücken? Mit mobilen chemischen Laboratorien? Mit funkensprühenden galvanischen Apparaturen? Tron liebte das Wort galvanisch, obwohl er nicht genau wusste, was es bedeutete.
    Sergente Valli salutierte, als Tron die Treppe heraufkam.
    «Die Leiche ist rechts im Zimmer. Den Mann haben wir in der Küche eingeschlossen. Wollen Sie ihn sofort sprechen?»
    Tron schüttelte den Kopf. «Ich will zuerst die Leiche sehen.» Er lehnte das Stativ gegen die Wand des Hausflurs.
    «Hat der Tote einen Namen?»
    «Alessandro Ziani.»
    «Und das hier ist seine Wohnung?»
    Der sergente nickte. «So ist es.»

    Alessandro Ziani lag zusammengekrümmt vor dem geöffneten Kleiderschrank, ein bartloser Mann mittleren Alters, der keine sichtbaren äußeren Verletzungen aufwies – wenn man davon absah, dass sein Kopf in einem unnatürlichen Winkel nach hinten gebogen war. Ein Kampf hatte offenbar nicht stattgefunden, es gab keine umgestürzten Stühle, kein zerbrochenes Geschirr, nichts.
    Das einzig Bemerkenswerte war eine rätselhafte Apparatur, die sie zuerst übersehen hatten, weil sie zwischen dem Bett und der Wand auf dem Fußboden stand. Sie bestand aus zwei kupfernen Zylindern von der Größe eines geräumigen Kochtopfes, die auf eiserne Füße montiert und mit kupfernen Röhren verbunden waren. Beide Zylinder hatten an der Vorderseite eine Klappe. Tron ließ sich auf die Knie nieder und zog aus einem der Zylinder ein Bündel Schnüre. Als er daran zog, blieb eine schwarze, pulverige Substanz an seinen Fingern haften, und er musste an die kleinen Lunten an den Raketen denken, die die Venezianer jedes Jahr zum Redentore-Fest abfeuerten. Er schnitt ein Stückchen mit seinem Federmesser ab und erhob sich.
    «Haben Sie Streichhölzer, Bossi?»
    Bossi nickte.
    «Dann zünden Sie bitte dieses Stückchen Schnur an.»
    Bossi entzündete ein Streichholz, hielt es an ein Ende der Schnur, und Tron sah, wie sie Feuer fing. Es bildete sich eine kleine Flamme, die sofort erlosch und sich in ein dunkles Glühen verwandelte, das die Schnur mit einem feinen Zischen verzehrte.
    Bossi hob die Augenbrauen. «Zündschnüre?»
    Tron nickte. «Es sieht ganz so aus.»
    «Denken Sie, was ich denke?»
    «Sie könnten denken, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Sprengstoff und den Zündschnüren gibt. Und dass zwei Genickbrüche so kurz hintereinander kein Zufall sind. Was sagen Sie zu dem Apparat, in dem die Zündschnüre waren? Als Spezialist für moderne Technik?»
    Bossi warf einen fachmännischen Blick auf die beiden kupfernen Zylinder zu seinen Füßen. «Man könnte eine Substanz in dem linken Zylinder erhitzt haben», sagte er.
    «Eine Substanz, die Gase entwickelt, welche über die Röhren in den rechten Zylinder geleitet werden. Eine Art De stillierapparat. Aber eigentlich kann in den Zylindern kein Druck entstehen, weil die beiden Klappen nicht dicht schließen.» Er machte ein nachdenkliches Gesicht. «Die ganze Konstruktion ist sinnlos. Der Apparat sieht aus wie ein Theaterrequisit. Vielleicht kann uns der Mann in der Küche etwas dazu sagen.»
    Tron nickte. «Zu dem gehe ich jetzt. Sie empfangen  Dr. Lionardo und reden mit der Frau, die den Burschen überrascht hat.»

    Den Herrn im Gehrock, der am Küchentisch saß und mit ausdruckslosem Gesicht den Kopf hob, als Tron die Küche betrat, umgab die Aura eines Mannes, auf den der Scharfrichter wartet. Der Zylinderhut, der mit der Öffnung nach oben vor ihm auf dem Tisch lag, sah aus wie ein Suppentopf, aus dem er gerade seine Henkersmahlzeit gelöffelt hatte. Außerdem hatte der Mann eine fatale Ähnlichkeit mit Königsegg.
    Tron gab sich keine Mühe, seine Überraschung zu verbergen. «Herr Generalleutnant?»
    Königsegg senkte den Kopf langsam herab und verharrte ein paar Sekunden in dieser Position. Dann hob er ihn wieder, nickte unmerklich und sah Tron mit einem Gesichtsausdruck an, als wollte er sagen: Alles perdu.
    Tron räusperte sich. «Sie hätten sich zu erkennen geben sollen, Herr Generalleutnant.»
    Königsegg zuckte gleichgültig die Achseln. Dann atmete er schwer und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. «Wozu, Commissario? Ich habe keine Eile.»
    «Was ist passiert?»
    Darüber musste Königsegg eine Weile nachdenken.
    Schließlich sagte er mit matter Stimme: «Ich hatte mit dem Signore, der hier wohnt, etwas Geschäftliches zu besprechen. Und da die Tür nicht verschlossen war und auf mein Klopfen niemand reagierte, betrat ich

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