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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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lachen oder ernst bleiben sollte. «Königsegg schleicht sich nachts in die Suite des Kaisers», fuhr er fort, «borgt sich die goldene Halskette der Kaiserin aus und lässt sich dann auf diese plumpe Art über den Tisch ziehen. Und als er Ziani schließlich aufspürt, fällt er ihm als Leiche vor die Füße.» Der ispettore verdrehte die Augen. «Hat der Generalleutnant Ihnen verraten, wie er den Tresor im Arbeitszimmer des Kaisers geöffnet hat?»
    «Die Zahlenkombination bestand aus den Geburtsdaten  des Kaisers», sagte Tron. «Es war kein Problem für ihn.»
    «Und was geschieht, wenn man entdeckt, dass die Halskette verschwunden ist?»
    «Es wird zunächst eine interne Untersuchung geben»,
    sagte Tron. «Und dann wird sich die Militärpolizei irgendwann an uns wenden. Wie vor ein paar Jahren, als das Silberbesteck aus dem Palazzo Reale verschwunden ist und sie nicht weitergekommen sind.»
    «Das war ein Eh-be-deh », sagte Bossi in dem Ton, in dem er normalerweise Gelatine-Trockenplatte und Indizienkette aussprach.
    «Ein was, bitte?»
    «Ein Einbruchdiebstahl.» Bossi lächelte nachsichtig. «Die Frage ist, was wir in diesem Fall machen.»
    «Wir ermitteln», entgegnete Tron.
    «Gegen Königsegg?»
    Tron schüttelte den Kopf. «Ich habe Königsegg absolute Diskretion zugesichert. Aber das ist jetzt nicht unsere Hauptsorge.» Er zog die Beine an, um nicht ständig an den Kasten mit den Gelatine-Trockenplatten zu stoßen, die Bossi zusammen mit der Kamera vor die Sitze der Gondel gestellt hatte. Der zuckte schon jedes Mal nervös zusammen, wenn Trons Fußspitze das Holz berührte. «Was hat Dr. Lionardo gesagt?»
    «Er will nicht ausschließen, dass es sich um denselben Täter handelt, der auch den Mann im Coupé getötet hat», sagte Bossi. Er dachte einen Moment lang intensiv nach, dann sah er Tron an. «Denken Sie das, was ich denke, Commissario?»
    «Vermutlich denken Sie, dass es auch einen Zusammenhang zwischen dem Sprengstoff und diesen Zündschnüren gibt», sagte Tron. «Fragt sich nur, welchen.» Er lehnte sich nach rechts, um die Schaukelbewegung auszugleichen, in die ein vorbeifahrender griechischer Raddampfer die Polizeigondel versetzt hatte. «Was hat Ihnen die Frau erzählt?
    Wissen wir jetzt etwas über diesen Ziani?»
    «Ziani hat erst seit vier Monaten am Campo San Maurizio gewohnt», antwortete Bossi. «Er war viel aus, hat nie Besuch empfangen und hin und wieder nachts im Casino Molin gearbeitet. Bei Ihrem alten Freund Zorzi. Das hat die Frau durch einen Zufall erfahren.» Bossi schwieg kurz und schürzte nachdenklich die Lippen. Schließlich sagte er: «Dieser Zorzi – könnte er etwas mit dem Anschlag auf den Kaiser zu tun haben?»
    Tron zuckte die Achseln. «Zorzi war im Turiner Exil. Er ist amnestiert worden und dann nach Venedig zurückgekehrt. Sein Verhältnis zum Kaiser ist nicht ausgesprochen gut. Aber dass er in einen Anschlag verwickelt ist, kann ich mir nicht vorstellen.»
    «Werden Sie heute noch mit ihm reden?»
    Tron nickte. «Ich setze Sie an der Questura ab und lasse mich anschließend zum Campo San Felice bringen. Wann sind die Fotografien fertig, die Sie von Ziani gemacht haben?»
    «Ich brauche drei Stunden», erwiderte Bossi.
    Tron lächelte. «Denken Sie, was ich denke, ispettore ?»
    Bossi erwiderte Trons Lächeln. «Sie denken, dass es  vermutlich eine gute Idee wäre, diese Fotografien Pater Silvestro zu zeigen», sagte er. «Vielleicht sind ja Signor Ziani und dieser mysteriöse Signor Montinari ein und dieselbe Person. In diesem Fall hätte der professionelle Killer …»
    Tron schloss die Augen und hob abwehrend die Hand.
    «Das werden wir sehen, Bossi. Morgen ist Samstag. Wir treffen uns um zehn im Florian.»

26
    Bei Trons letztem Besuch in Zorzis Casino hatte ihn eine Gondel am Wassertor des Palazzo Molin abgesetzt. Heute war er zu Fuß unterwegs und näherte sich dem Casino von der Rückseite. Als er in die Calle della Rachetta einbog, eine schmale Gasse, in die sich nur selten ein Fremder verirrte, stellte er überrascht fest, dass er nicht der Einzige war, der zu dieser frühen Stunde das Casino Molin besuchen wollte.
    Vor der Rückfront des Palazzo hatte sich eine Gruppe versammelt, die Tron sofort als Reisegruppe identifizierte. Sie umfasste zwei Dutzend Personen und schien von einem militärisch aussehenden Engländer geleitet zu werden, der gerade damit beschäftigt war, bunte Karnevalsmasken und Papierhütchen zu verteilen. Die Damen trugen praktische

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