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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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die Wohnung. Ich musste dann allerdings feststellen, dass der Signore nicht in seiner Wohnung war.»
    «Er lag vor seinem Kleiderschrank», korrigierte Tron.
    Königsegg schüttelte den Kopf. «Er fiel aus dem Kleiderschrank, als ich ihn geöffnet habe.»
    «Er war im Kleiderschrank?»
    Königsegg nickte. «Tot im Kleiderschrank. Fragen Sie mich nicht, wie er da hineingeraten ist.»
    «Und warum haben Sie den Schrank geöffnet?»
    Königsegg beugte sich nach vorne und drehte an seinem Zylinderhut – der Suppenschüssel. Ohne Tron anzusehen, sagte er: «Ich habe etwas gesucht.»
    Tron runzelte die Stirn. «Steht das in Zusammenhang  mit der Verhaftung des Mannes, der Ihnen eine goldene Halskette verkaufen wollte?»
    «Die Geschichte hat sich etwas anders abgespielt», erwiderte Königsegg. Er warf einen Blick auf die Küchentür, um sich zu vergewissern, dass sie geschlossen war. «Kann ich mich auf Ihre Diskretion verlassen?»
    «Selbstverständlich.»
    «Nun, ich gehe hin und wieder mal ins Casino Molin,  um dort ein kleines Jeu zu machen», erklärte Königsegg. Er warf einen treuherzigen Blick über den Tisch. «Ich bin kein, äh …»
    Tron wusste, was Königsegg jetzt sagen würde. Ich bin kein Spieler.
    «Ich bin kein Spieler», sagte Königsegg.  Na bitte, wörtlich.
    «Und ich hatte vor einigen Tagen Pech.» Königsegg  stieß einen tiefen Seufzer aus und sah Tron an. «Fünftausendfünfhundert Gulden – futsch.» Er stieß einen noch tieferen Seufzer aus. «Ich war gezwungen, dem Casinodirektor einen Schuldschein auszuschreiben. Da traf es sich gut, dass ich zufällig die Bekanntschaft von Signor …»
    «Er hieß Ziani.»
    «Von Signor Ziani machte», beendet Königsegg den  Satz. «Der mir freundlicherweise in Aussicht stellte, eine goldene Halskette gegen eine prozentuale Beteiligung zu, äh, verdoppeln.»
    Tron runzelte die Stirn. «Zu verdoppeln?»
    Königsegg nickte. «Mit Hilfe einer Apparatur, die er erfunden hat. Sie steht drüben im Zimmer.» Er starrte auf den Rand seines Zylinderhuts und hob verlegen die Schultern.
    «Ich weiß, dass solche Verdoppelungen nicht legal sind.»
    «Welche Verdoppelungen, Herr Generalleutnant?»
    Königseggs Augenbrauen hoben sich überrascht. «Sie  haben noch nie davon gehört?»
    Tron schüttelte den Kopf. «Nein.»
    «Mit diesem Apparat und ein wenig Quecksilber können Sie einen goldenen Gegenstand verdoppeln», erklärte Kö nigsegg. «Signor Ziani hat es mir einen Tag zuvor an einem Ring demonstriert. Sonst wäre ich nie mit der Halskette zu ihm gekommen.» Er lachte kurz. «Ich bin ja kein Esel.»
    «Und was ist passiert?»
    «Wir waren gerade dabei, die Verdoppelung vorzuneh men, als plötzlich zwei Polizisten in der Wohnung standen.»
    «In dieser Wohnung hier?»
    «Nein, in einer Wohnung am Campo Santo Stefano.»
    «Und?»
    «Die Polizisten haben die Kette beschlagnahmt und uns abgeführt. Aber Signor Ziani und ich konnten auf dem Weg zur Questura fliehen», erklärte Königsegg.
    «Und am nächsten Tag haben Sie von mir auf der Questura erfahren, dass es keinen nächtlichen Polizeieinsatz gegeben hat.»
    Königsegg nickte. «Woraus hervorging, dass es sich nicht um echte Polizisten gehandelt hat. Sie hatten das ja bereits angedeutet.»
    «Und warum haben Sie mich nicht um Hilfe gebeten?»
    «Weil ich das Problem selbst lösen wollte.» Der Generalleutnant schwieg und fing wieder an, seinen Zylinderhut zu drehen. Schließlich, nachdem er sich eine ganze Weile mit seinem Hut befasst hatte, sagte er: «Es handelt sich um eine ganz besondere Kette.»
    «Inwiefern?»
    «Diese Halskette», sagte Königsegg mit tonloser Stimme,
    «stammt aus dem Palazzo Reale.»
    «Sie gehört Ihnen nicht?»
    Königsegg schüttelte den Kopf. Er schürzte die Lippen, und seine Kiefer führten eine mahlende Bewegung aus – so als würde er seine Henkersmahlzeit verspeisen. Dann ergänzte er: «Ich hatte sie mir nur … ausgeborgt.»
    «Ausgeborgt von wem?»
    «Sie stammt aus dem Tresor im Arbeitszimmer des Kaisers.»
    «Wie bitte?»
    Königsegg sah Tron an, aber er blickte durch ihn hindurch, denn sein Blick war auf ein imaginäres Schafott gerichtet. «Die goldene Halskette gehört der Kaiserin», sagte er mit tonloser Stimme.

    Bossi richtete sich so heftig auf, dass ein kleineres Boot als eine Polizeigondel ins Schwanken geraten wäre. «Das ist eine absolut unglaubliche Geschichte, Commissario.» Er verzog das Gesicht und konnte sich offenbar nicht entscheiden, ob er

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