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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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oder nicht, wird uns im Ausland Sympathien kosten und eine harte Reaktion der Österreicher heraufbeschwören. Es wäre kontraproduktiv.»
    «Also handelt es sich um Verrückte», stellte die Principessa fest.
    «Wahrscheinlich um italienische Nationalisten», erwiderte Tron.
    Was ihm sofort einen tadelnden Blick der Principessa eintrug. «Das sind keine Verrückten», sagte sie scharf. «Wofür hast du denn 1848 gekämpft?»
    «Unsere Parole war Viva San Marco, nicht Viva Italia .»
    Wie oft hatten sie sich bereits über dieses Thema gestritten? Hundertmal? Tausendmal? «Wir wollten die Wiederherstellung der Republik. Ob die Turiner Leine, an der ihr alle so gerne hängen möchtet, lockerer ist als die Wiener Leine, bezweifle ich. Die Piemontesen können ja noch nicht einmal richtig Italienisch.»
    «Das sagst ausgerechnet du.»
    «Mein Toskanisch ist nicht schlechter als deines, wenn ich mir Mühe gebe.» Tron holte tief Atem und deklamierte: « Nel mezzo del cammin di nostra vita, mi ritrovai per una selva oscura … »
    Gequält schloss die Principessa die Augen. «Der arme Dante! Du hast einen furchtbaren Akzent.» Sie öffnete ihre Augen wieder und nippte an ihrem Kaffee. «Aber eigentlich wollten wir über deine Ermittlungen reden.»
    «Überdrehte Nationalisten», sagte Tron, «sind die eine Möglichkeit.» Er häufte sich eine neue Portion Reispudding auf den Teller. «Die andere Möglichkeit sind ultrareaktionäre Militärkreise, die ein Attentat begrüßen würden, weil sie dann durchgreifen können, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen.»
    «Nach innen?»
    «Gewisse Kreise nehmen es dem Kaiser noch immer  übel, dass er 1861 das Februarpatent unterschrieben hat», erläuterte Tron. «Seitdem bestimmt das Parlament den Militäretat.»
    «Franz Joseph hatte nach dem verlorenen Feldzug in der Lombardei eine schwache Position.»
    «Er hätte es vielleicht darauf ankommen lassen können», entgegnete Tron. «Wie der preußische König. Der hat die Verfassung einfach ignoriert.»
    «Weil ihn der ehemalige preußische Botschafter in Paris, dieser, äh …»
    «Bismarck.»
    «Weil ihn dieser Bismarck dazu getrieben hat», sagte die Principessa.

    «Jedenfalls hat der preußische König das getan, was Franz Joseph nicht einmal versucht hat.»
    «Und das werfen ihm die Militärs vor?»
    Tron nickte. «Sie halten ihn für einen Schwächling.
    Und würden ihn vielleicht gerne loswerden. Auf jeden Fall wäre ein Anschlag auf den Kaiser die Stunde der Militärs.»
    Die Principessa schüttete ein wenig Zucker in ihren Kaffee und rührte um. «Willst du ernsthaft behaupten, dass es eine militärische Verschwörung gibt? Offiziere, die einen Anschlag auf den Kaiser vorbereiten?»
    Tron zuckte die Achseln. «Ich stelle lediglich fest, dass diese Kreise ein Motiv hätten.»
    Ein Stirnrunzeln der Principessa deutete an, dass sie von dieser Theorie nicht viel hielt. «Aber warum hätten sie dann den Sprengstoff auf diesem umständlichen Weg nach Venedig gebracht? Sie hätten das Zeug doch einfach auf ein Kriegsschiff laden können.»
    Tron schüttelte den Kopf. «Hätten sie nicht. Es wird in jedem Fall eine Untersuchung geben – ob der Anschlag gelingt oder nicht. Und da darf nicht der Schatten eines Verdachts auf die Hintermänner fallen. Deshalb die umständliche Inszenierung mit dem Sarg.»
    «Und was wollt ihr jetzt machen?»
    «Bossi wird die Fotografie Zianis auf dem Bahnhof und auf San Michele vorzeigen», sagte Tron. «Und dann sehen wir weiter.»
    «Und wenn sich herausstellt, dass tatsächlich jemand ein Attentat auf den Kaiser vorbereitet?»
    «Dann soll Spaur entscheiden, ob wir den Fall an die Militärpolizei abgeben oder nicht», sagte Tron.
    «Wie denkst du, wird er entscheiden?»

    «Er wird beide Fälle abgeben. Den Mord im Coupé und  den Mord am Campo San Maurizio.»
    «Und die Halskette?»
    «Die wird nicht erwähnt. Weder Spaur noch der Militärpolizei gegenüber. Das habe ich Königsegg versprochen.»
    «Was passiert, wenn man entdeckt, dass der Tresor leer ist? Fällt dann der Verdacht nicht auf Königsegg?»
    «Nicht unbedingt», antwortete Tron. «Denkbar ist auch, dass man an einen Einbruch in den Palazzo Reale glaubt.
    Aber das ist schwer zu sagen, und genau deshalb ist Königsegg so nervös. Und wegen seiner Schulden bei Zorzi.»
    «Wie hoch sind sie?»
    «Fünftausendfünfhundert Gulden.»
    Die Principessa nahm einen Zug aus ihrer Zigarette und dachte nach. Schließlich sagte sie:

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