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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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im  Königreich Sardinien gibt, die nicht von der Regierung infiltriert ist, wird man in Turin von diesem Vorhaben gewusst haben. Also mussten die Behörden etwas unternehmen.»
    «Ein Fall für Zorzi?»
    Holenia nickte. «Wahrscheinlich kannten die Piemontesen den Zug, mit dem das Schießpulver kam. Wahrscheinlich kannten sie auch den Mann, der es überbringen sollte.
    Und sie wussten, dass er in Venedig ein Unbekannter war.»
    Er sah Tron lächelnd an. «Den Rest muss ich Ihnen nicht erzählen.»
    Tron räusperte sich. «Wollen Sie behaupten, Zorzi hätte den Mann getötet und sich an seine Stelle gesetzt? Sie dürfen nicht vergessen, dass er Ziani kannte.»
    «Ziani wird überrascht gewesen sein, dass Zorzi ebenfalls für das Comitato Veneto arbeitete», erwiderte Holenia. «Aber das war nicht das Problem.»
    «Was war das Problem?»
    «Dass Ziani misstrauisch werden konnte. Was möglicherweise geschehen ist.»
    «Worauf Zorzi ihn getötet hat?»
    Holenia hob die Schultern. «Ich stelle lediglich fest, dass es zwischen den beiden gewisse Schwierigkeiten gegeben haben könnte. Wenn Zorzi diesen Mann getötet hat, dann hätte er sicher ein Motiv gehabt. Natürlich unter der Voraussetzung, dass er den Burschen im Coupé auf dem Gewissen hatte und immer noch für die Piemontesen arbeitete.»
    Hätte, würde, könnte. Tron fragte sich, ob Holenia bewusst war, dass er eben in einer Orgie von Konjunktiven geschwelgt hatte. Andererseits musste er zugeben, dass Holenias Theorie eine kühne Eleganz hatte, die alle Ereignisse zu einer plausiblen Geschichte verknüpfte. Aber Zorzi als Doppelagent? Konnte man sich das vorstellen? Und sagte man das so? Doppelagent? Schon das Wort hörte sich an, als käme es aus einem der Romane, die Bossi stapelweise verschlang.
    Tron stand auf und gab Holenia zum Abschied die  Hand. Dann sagte er das einzig Vernünftige, was ihm zu der Geschichte des Obersts einfiel. «Wir werden überprüfen, ob Zorzi ein Alibi hat.»

31
    Bossi war außer sich vor Freude. Zorzi ein Doppelagent!
    Dieses Wort, dessen Bekanntschaft der ispettore bislang nur zwischen zwei Buchdeckeln gemacht hatte, war endlich Wirklichkeit geworden. Bossi wurde nicht müde, es immer wieder auszusprechen, wobei es sich in seinem Mund so ähnlich anhörte wie Profikiller, Gasventil oder Gelatine-Trockenplatte. Natürlich hatte Bossi sein Entzücken über Zorzis Enttarnung nicht offen gezeigt. Er hatte allerdings seiner Befriedigung darüber Ausdruck verliehen, dass er den Bericht für die Kommandantura nicht zu Ende schreiben musste. Und dass die Aufklärung des Falls vorerst weiter in den Händen von – wie er es nannte – Professionellen lag. Ob der ispettore nur sich damit meinte oder auch Tron dazuzählte, blieb unklar.
    Tron hatte ispettore Bossi in seinem Büro im Dachgeschoss der Questura angetroffen – einem kleinen, mit fotografischen Apparaturen vollgestopften Raum, der im Winter eisig und im Sommer ein Brutkasten war. Als Tron mit seinem Bericht zu Ende gekommen war, hatte Bossi seinen Dienstrevolver aus der Schublade gezogen und damit begonnen, ihn zu laden. Dass er jede Patrone mit der Zunge anleckte, bevor er sie augenrollend in die Trommel steckte, fand Tron ein wenig irritierend.
    «Gehen wir allein ins Casino Molin, oder nehmen wir  Verstärkung mit?» Bossi warf einen kantigen Blick auf Tron und sah aus wie die personifizierte Tatkraft.
    Tron, den Menschen mit Tatkraft immer nervös machten, runzelte die Stirn. «Um was zu tun?»
    «Um Zorzi zu verhaften. Nach zwei Morden hat er  nichts mehr zu verlieren. Solche Doppelagenten sind gefährlich.» Bossi hielt mittlerweile ein Tuch in der Hand, mit dem er den Lauf des Revolvers polierte – Gott sei Dank, ohne ihn vorher abzulecken.
    «Ich hatte nicht die Absicht, Zorzi zu verhaften», sagte Tron. «Dass Holenias Theorie originell ist, gebe ich zu.
    Aber ob seine Spekulationen über einen Piemonteser Agenten, der einen Anschlag auf den Kaiser verhindern soll, tatsächlich stimmen, das wissen die Götter.»
    «Und was hatten Sie vor?» Bossi hatte Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen.
    «Festzustellen, ob Holenias Theorie überhaupt stimmt», antwortete Tron. «Wenn Zorzi Sonntagnacht im Casino  Molin gewesen ist, kann er den Mord im Coupé nicht begangen haben. Und dann hätte er wohl auch nichts mit Zianis Tod zu tun.»
    «Das heißt, wir überprüfen, ob Zorzi Sonntagnacht im Casino Molin war?»
    « Sie überprüfen das, Bossi. Mich kennt man im Casino

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