Die Matlock-Affäre
sicher, als wäre sie in den Armen ihrer Mutter. Oder den Ihren. Sie ist der Köder, nicht Sie. Der Köder wird frisch und unversehrt gehalten werden. Weil Sie haben, was sie wollen. Ohne das kann die Gegenseite nicht überleben.«
»Dann wollen wir doch unser Angebot machen. Je eher, desto besser.«
»Keine Sorge. Es wird gemacht werden. Aber wir müssen sorgfältig überlegen - alle Nuancen dabei bedenken -, wie wir es tun. Bis jetzt verfügen wir über zwei Alternativen, darüber haben wir uns geeinigt. Die erste ist Kressel selbst. Die direkte Konfrontation. Die zweite wäre, die Polizei zu benutzen, um Ihre Botschaft an Nimrod zu übermitteln.«
»Warum sollten wir das tun? Die Polizei benutzen?«
»Ich zähle nur Alternativen auf ... Warum die Polizei? Ich weiß nicht genau. Nur, daß in den Tagebüchern von Professor Herron eindeutig steht, daß Nimrod in der Vergangenheit einige Male ausgetauscht worden ist. Der gegenwärtige Nimrod ist der dritte, seit diese Position geschaffen wurde, das ist doch richtig?«
»Ja. Der erste war ein Mann namens Orton im Büro des Gouverneurs. Der zweite, Angelo Latona, ein Bauunternehmer. Der dritte ist offensichtlich Kressel. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich stelle nur Spekulationen an. Wer auch immer die Position Nimrods übernimmt, verfügt über autoritäre Macht. Es kommt also auf die Position an, nicht den Mann. Der Mann kann aus seinem Amt machen, was in seiner Macht steht.«
»Aber das Amt«, unterbrach Williams, »wird gegeben und wieder genommen. Nimrod hat nicht das letzte Wort.«
»Genau. Demzufolge könnte es zu Matlocks Vorteil sein, es durchsickern zu lassen, daß er es ist, der die Waffe besitzt. Daß Kressel - Nimrod - mit großer Vorsicht vorgehen muß. Um aller willen.«
»Würde das nicht bedeuten, daß noch mehr Leute hinter mir her wären?«
»Schon möglich. Umgekehrt könnte es bedeuten, daß eine ganze Legion verängstigter Verbrecher Sie schützt. Bis die Drohung beseitigt ist, die Sie darstellen. Solange diese Drohung nicht weggenommen ist, wird keiner vorschnell handeln. Keiner wird wollen, daß Nimrod übereilt handelt.«
Matlock zündete sich eine Zigarette an. »Sie haben also vor, Nimrod teilweise von seiner eigenen Organisation zu trennen.«
Dunois schnalzte mit den Fingern beider Hände, es klang wie Kastagnetten, wie Applaus, dann lächelte er.
»Sie lernen schnell. Das ist die erste Lektion des Revolutionärs. Eines der Hauptziele der Infiltration. Teilen. Teilen!«
Die Tür öffnete sich. Ein aufgeregter Neger kam herein. Ohne ein Wort zu sagen, reichte er Dunois einen Zettel. Dunois las und schloß die Augen ein paar Augenblicke lang. Das war seine Art, Bestürzung zu zeigen. Er dankte dem schwarzen Boten ruhig und entließ ihn höflich. Dann sah er Matlock an, reichte den Zettel aber Williams.
»Die von uns entwickelte Strategie mag vielleicht in historischem Sinne Priorität haben, aber ich fürchte, für uns hat sie ihren Sinn verloren. Kressel und seine Frau sind tot. Doktor Sealfont ist gewaltsam und unter Bewachung aus seinem Haus entfernt worden. Man hat ihn in einem Streifenwagen weggebracht.«
»Was? Kressel! Das glaube ich nicht! Das ist nicht wahr!«
»Ich fürchte, doch. Unsere Männer berichten, daß die beiden Leichen vor weniger als fünfzehn Minuten hinausgetragen wurden. Man spricht von Mord und Selbstmord. Natürlich. Es würde perfekt passen.«
»O Gott! O Gott, o Gott! Es ist meine Schuld! Ich habe sie dazu gezwungen! Sealfont! Wohin hat man ihn gebracht?«
»Das wissen wir nicht. Die Brüder, die Wache hielten, wagten nicht, dem Streifenwagen zu folgen.«
Er hatte keine Worte. Da waren sie wieder, die Lähmung und die Angst. Er taumelte blindlings ans Bett, sank darauf nieder, setzte sich dann wieder auf und starrte ins Leere. Das Gefühl der Hilflosigkeit, der Niederlage war jetzt überwältigend. Er hatte so viel Schmerz verursacht, so viel Tod.
»Das ist eine schwere Komplikation«, sagte Dunois, die Ellbogen auf den Kartentisch gestützt. »Nimrod hat Ihre einzigen Kontaktpersonen entfernt. Indem er das tat, hat er eine wesentliche Frage beantwortet und uns daran gehindert, einen ungeheuren Fehler zu machen - damit meine ich natürlich Kressel. Nichtsdestoweniger hat Nimrod, um es von einer anderen Seite zu sehen, unsere Alternativen verringert. Sie haben jetzt keine Wahl. Sie müssen durch seine Privatarmee, die Polizei von Carlyle, an ihn herantreten.«
Matlock starrte Julian Dunois
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