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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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sehr freundlich von Ihnen.«
    Die Fahrstuhltür öffnete sich. Als er hinaus auf den Flur trat, verlor John kurz die Orientierung: Er hatte einen kargen Empfangstisch erwartet, doch stattdessen begrüßte sie ein riesiges Aquarium mit kunstvoll arrangierten, grellorangen Designerstühlen davor.
    »Hier entlang«, sagte John, nachdem er sich umgeschaut hatte. »Mein Büro liegt in dieser Richtung.«
    Leider war die Tür zu diesem Gebäudeflügel abgeschlossen.
    »Verdammt!« John blickte sich um, aber es war niemand zu sehen, der sie hätte reinlassen können.
    Prime ging hinüber zu dem Telefon an der Wand und nahm den Hörer ab. Eine Liste mit Nummern hing daneben. Er versuchte es mit der ersten Durchwahl. »Keiner da«,
stellte er schließlich fest und probierte es mit der nächsten. Als er bei der sechsten Durchwahl angelangt war, öffnete sich eine Tür auf der anderen Seite des Aufzugs. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte ein junger Mann mit Brille und Aktenkoffer.
    »Äh«, antwortete John, »wir …«
    Prime schnitt ihm das Wort ab. »Ja, das wäre sehr nett. Josh von der Verwaltung meinte, dass wir um fünf hierher kommen sollen. Wir müssen das ganze Stockwerk besichtigen. Könnten Sie uns vielleicht reinlassen? Leider drängt schon der nächste Termin …«
    »Es geht also um eine Besichtigungstour?«
    »Ja. Wissen Sie, es soll ein drittes Gebäude gebaut werden, und zwar nach diesem Muster.«
    Der junge Mann nickte und hielt seine Karte vor den Sensor neben der Tür. »Gute Idee. Wir sind jetzt seit ein paar Jahren hier, und es gefällt uns ausgezeichnet.«
    »Gut zu hören«, erwiderte Prime.
    Die Tür schloss sich hinter ihnen, und Prime seufzte. »Das war viel zu einfach.«
    »Social Engineering«, sagte Corrundrum.
    »Am besten, man erzählt gleich’ne richtig große Lüge«, erwiderte Prime.
    »Ganz genau.«
    John lief voraus, den Flur hinunter. Der Grundriss war derselbe; sein Büro hundert Universen weiter lag genau dort, wo er es erwartet hatte. Und noch dazu stand es leer.
    Die Aussicht aus dem Fenster hatte jedoch nicht viel mit seiner Erinnerung zu tun. Natürlich gab es weder Zaun noch Gebäude auf dem kleinen Waldstück, aber selbst davon abgesehen, stimmte etwas mit der Landschaft nicht.
    »Und, kommt’s dir bekannt vor?«, fragte Prime.
    »Nein.«

    »Nein? Was, was, was zum …« Corrundrum schnappte vor Panik nach Luft. »Wenn wir irgendwo ankommen, wo …«
    »Ruhe!«, schnauzte Prime.
    John lehnte die Stirn an die kalte Fensterscheibe und presste die Augen zusammen. Er musste sich den Blick aus seinem Büro ins Gedächtnis rufen, das leicht abfallende Land, die Bäume. Mit aller Kraft versuchte er, den abgezäunten Bereich in seiner Erinnerung auszulöschen, um dahinterzukommen, wie das Gelände ohne Bebauung aussehen würde.
    Es herrschte absolute Stille. Selbst Corrundrum hielt ausnahmsweise den Mund.
    Kurz darauf richtete John sich auf und öffnete die Augen. Das war es: Der Parkplatz erstreckte sich in diesem Universum zu weit nach hinten! Das hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Triumphierend deutete er aus dem Fenster. »Siehst du die große Eiche da drüben?«
    »Ja«, bestätigte Prime.
    »Etwa sechs Meter östlich und drei Meter nördlich davon ist die Stelle.«
    »Verstanden. Also innerhalb des Zauns, aber außerhalb der Gebäude?«
    »Ja.« John versuchte, die Stelle möglichst exakt abzuspeichern.
    Zurück auf dem Parkplatz setzten sich Prime und Corrundrum ins Auto, während John das Warndreieck aus dem Kofferraum kramte, hinüber zur großen Eiche ging und von dort aus sechs große Schritte nach Osten und drei nach Norden machte. Nachdem er sich mit einem letzten Rundblick vergewissert hatte, platzierte er das Warndreieck auf dem Asphalt und beschwerte es mit einem großen Stein. Eine bessere Schätzung konnte er über hundert Universen hinweg nicht abgeben. Danach kehrte er zum Wagen zurück
und nahm auf dem Fahrersitz Platz, um ein Weilchen zu dösen. Sie hatten noch ein paar Stunden.
     
    Als jemand ihn anstupste, rieb er sich die Augen. »Was ist los?«
    »Pst!«
    Corrundrums Gesicht schwebte vor ihm in der Dunkelheit. »Aussteigen.«
    »Was?«
    Corrundrum zog seine Pistole aus der Tasche. »Keinen Mucks.«
    John stieg aus. Kurz überlegte er, Prime mit dem Fuß zu streifen, aber der schnarchte außer Reichweite auf der Rückbank.
    »Hier rüber«, zischte Corrundrum.
    Die Luft legte sich feucht und kühl auf Johns Wangen. Sein Atem formte sich zu einer weißen Wolke.

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