Die Maurin
beschloss, die Maden weiter ihre Arbeit tun zu lassen, schlang das Tuch wieder um das Bein und wechselte den Brustverband.
»Wie steht es mit dem Kriegstreiben da draußen?«, fragte Miguel sie. »So leid es mir für euch täte – für uns wäre es das Beste, wir würden siegen, und ich kann euch versichern, dass mein Einfluss weit genug geht, um euch vor Übergriffen zu schützen. Wenn wir verlieren, dürfte es an ein Wunder grenzen, wenn ich hier mit Gonzalo und Hayat lebend herauskomme.«
Zahra verkniff es sich zu sagen, dass Hayat derzeit ohnehin nicht mit ihm gehen würde. Wenn ihre Mutter jedoch sterben sollte … Auf einmal hatte Zahra es eilig, nach Hause zu kommen. Sie blickte zu Hayat und machte ihr ein Zeichen. Ihre Schwester nickte und drückte noch einmal kurz Miguels Hände. »Es wird alles gut werden, ganz gleich, wer siegt!«
»Aber wie steht es denn derzeit?«
»Ich weiß nur, dass wir die Brücke zurückerobert haben«, erwiderte Hayat, »und dass Ali al-Attar zuversichtlich ist.«
»Und sucht man schon nach uns?«
Hayat zuckte mit den Achseln. »Wir haben nichts bemerkt. Wahrscheinlich haben die Soldaten derzeit Wichtigeres zu tun, als nach zwei entkommenen Gefangenen zu suchen, zumal sie ständig weitere bringen. Als wir eben zur Amme gelaufen sind, haben wir auf dem Platz schon wieder einen Schwung neuer Gefangener sitzen sehen.«
Miguel schürzte die Lippen. »Gonzalo und mir war von Anfang an klar, dass der Angriff auf Loja ein Fehler war. Fernando aber hat Don Juan unbedingt beweisen wollen, dass dieser ihm nicht das Wasser reichen kann, und hat vor lauter Übermut einen strategischen Fehler nach dem anderen gemacht. Fände ich doch nur eine Möglichkeit, dich hier herauszuholen …«
Hayat legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Vertrau auf Gott!«
»Auf meinen oder auf deinen?«, versuchte Miguel zu witzeln, doch keinem von ihnen war nach Lachen zumute. Miguel küsste Hayat auf das Haar und blickte auch noch einmal zu Zahra. »Ihr seid eine sehr mutige und großherzige Frau. Ich hoffe, ich kann mich irgendwann für Eure Hilfe erkenntlich zeigen!«
»Dafür müssen wir Euch erst einmal lebend hier herausbringen«, murmelte Zahra und machte Hayat erneut ein Zeichen, dass sie nach Hause wollte.
Als sie ihr kleines Haus betraten, saß Zainab am Fußende des Bettes ihrer Mutter und weinte stumm; Tamu blickte ebenso starr wie zuvor auf Leonor, die bleich auf einem frischen Laken lag. Fast zeitgleich mit Zahra und Hayat betrat eine Dienerin Ali al-Attars das Haus.
»Ich soll Euch von meinem Herrn ausrichten, dass der Arzt gleich kommen wird. Außerdem ist alles vorbereitet, um Euch und Eure Mutter zurück in seinen Palast zu bringen.«
Zahra sah, wie Hayat erblasste, und auch ihr wurde beim Gedanken an Gonzalo und Miguel der Hals eng. Dann aber fuhr Tamu herum und zischte der Dienerin Ali al-Attars entgegen: »Meine Herrin kann in diesem Zustand nicht transportiert werden. Das wäre ihr sicherer Tod!«
Die Dienerin hob kühl die schön geschwungenen Augenbrauen, die ihr sicher schon mehr als einmal den Weg in Ali al-Attars Schlafgemach geebnet hatten. »Mein Herr ist es gewohnt, dass seine Anweisungen widerspruchslos befolgt werden!«
»Dann wird er sich jetzt eben an etwas Neues gewöhnen müssen!«, donnerte Tamu unbeeindruckt zurück.
»Bitte, bitte, immer mit der Ruhe!«
Von ihnen unbemerkt hatte der Arzt das Häuschen betreten. Er legte Tamu beschwichtigend die Hand auf den Arm und ging an ihr vorbei zu Leonor. Es war ein kleiner Mann mit einem grauen Bart, gütigen, klugen Augen und schlanken Händen. Er fühlte Leonors Puls und tastete ihren Bauch ab.
»Meine Herrin hat Druckschmerzen im Unterleib und starke Abwehrspannungen«, knurrte Tamu. Auch wenn ihr anzusehen war, wie sehr es ihr missfiel, dass nun doch noch ein Arzt gekommen war, da sie ihren Kräutern seit jeher mehr vertraute, lächelte sie der ältere Mann freundlich an und zeigte auf den Sud, der neben Leonors Bett stand. »Was gibst du deiner Herrin?«
»Wiesengeißbarttee.«
Der Arzt nickte, strich sich bedächtig über seinen Bart, setzte sich neben Leonor aufs Bett und nahm ihre Hand in die seine, als wolle er fühlen, wie viel Lebensenergie noch in ihr war.
»So sagt uns doch etwas!«, rief Zahra. Ihr schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis sich der Arzt endlich zu ihr umwandte. Sein Blick war ebenso ernst wie mitfühlend.
»Ich höre an der Angst in Eurer Stimme, dass Ihr sehr gut wisst, wie es
Weitere Kostenlose Bücher