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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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um Eure Mutter steht. Und um Ali al-Attar macht Euch keine Sorgen: Ich selbst werde mit ihm reden und ihm sagen, dass er von Eurer Rückführung in sein Haus absehen möge. Vertrauen wir auf Allah, er ist erhaben, und die Weisheit seiner Beschlüsse.«
    Nur zwei Stunden später tat Leonor ihren letzten Atemzug. Kurz vorher war sie noch einmal zu sich gekommen. Als Zahra merkte, dass ihre Mutter bei Bewusstsein war, betete sie leise:
»La Ilaha illa llah.«
Es gibt keinen Gott außer Gott. »Und Mohammed ist sein Prophet.« Und als sie schon nicht mehr zu hoffen wagte, dass ihre Mutter die Worte wiederholen würde, die ihr den Weg in den Paradiesgarten ebnen würden, kam endlich das
»La Ilaha illa llah«
über ihre Lippen. Nur einen Herzschlag später hörte sie auf zu atmen.
    Tamu strich ihrer Herrin über die geschlossenen Augen und den Mund. Zahra drückte den kleinen Mahdi an ihre Brust, Hayat zog die wild losschluchzende und um sich schlagende Zainab in ihre Arme, während Tamu so starr auf ihre Herrin blickte, dass Zahra das Gefühl hatte, dass Tamu ihrer Mutter am liebsten gefolgt wäre. Noch nie zuvor hatte sie sich Gedanken über das Verhältnis der beiden gemacht. Sie wusste, dass ihr Vater Tamu gleich nach dem Tod seiner ersten Frau in sein Haus genommen hatte. Ein Jahr danach hatte er Leonor nach einem Fest bei Hassans Vater freigekauft. Zahra ahnte, dass das geschundene, verstörte und überängstliche Geschöpf, das ihre Mutter damals gewesen sein musste, bei der kinderlosen Tamu Beschützerinstinkte ausgelöst hatte und sie, auch bedingt durch ihre Kränklichkeit, eine Art Ersatzkind für diese geworden war. Zahra trocknete ihre Tränen und strich der alten Berberin über die Schulter. »Du hast getan, was in deiner Macht stand«, sagte sie leise. »Ohne dich wäre Mutter schon vor Jahren gestorben, und auch auf der Seidenfarm hast du ihr vor ein paar Monaten wieder das Leben gerettet. Wenigstens konnte sie noch ihren Sohn sehen. Du weißt, wie glücklich sie war, als er zum ersten Mal in ihren Armen lag!«
    Tamu nickte. Über ihre Wangen rannen dicke Tränen. Dann stimmte sie die Totenklage an.
     
    Hayat und Zahra übernahmen die rituelle Waschung des Leichnams, während sich Zainab stumm vor sich hin weinend in Tamus Schoß drückte. Anschließend betteten Zahra und Hayat Leonor, wie es die islamischen Gesetze vorschrieben, in mehrere Lagen weißer Leintücher. Diese mussten von Frauen hergestellt worden sein, die keine Monatsblutung mehr hatten, denn nur dies gewährleistete, dass sie nicht im Zustand der rituellen Unreinheit verarbeitet worden waren. Inzwischen hatten sich Klageweiber bei ihnen eingefunden, die in Tamus Totenklage einstimmten. Schon eine Stunde später kamen vier Neffen und zwei Söhne Ali al-Attars, um die Tote in die Moschee zu geleiten, von wo aus sie nach einem Gebet, nur von Männern begleitet, zum Friedhof gebracht würde. Ein Sohn Ali al-Attars verlieh den Frauen gegenüber seinem Bedauern Ausdruck, dass sie mit der Beerdigung nicht warten konnten, bis Leonors Mann benachrichtigt war, aber die Grablegung sollte stets zügig erfolgen, möglichst noch am selben Tag, und wegen des Kriegstreibens vor den Toren der Stadt hatte man Abdarrahman bislang noch nicht einmal einen Boten schicken können.
    Nach der Beerdigung saßen Zahra, Hayat, Zainab und Tamu wie gelähmt in ihrem Häuschen, dann fing Mahdi zu weinen an. Zahra erhob sich und nahm ihn auf den Arm, Hayat nickte ihr zu und legte sich den Hidschab an, um sie zu der Amme zu begleiten. Auf dem Weg sprachen Zahra und Hayat kein Wort. Ihr Schmerz war zu groß, um ihn in Worte fassen zu können.
     
    Auch jetzt, da ihre Mutter gestorben war, wollten ihre Töchter Mahdi nicht bei der Amme lassen: Er war das Einzige, was ihnen ein wenig über den Tod der Mutter hinweghalf. Also brachten Zahra und Hayat Mahdi auch weiterhin zum Stillen zu der Amme – was es ihnen zugleich ermöglichte, sich weiter um Gonzalo und Miguel zu kümmern. Natürlich hatte Ali al-Attar sein Angebot wiederholt, dass sie zurück in seinen Palast ziehen könnten, aber bisher hatten sich auch Zainab und Tamu dagegen ausgesprochen. In dem Häuschen fühlten sie sich Leonor näher, und Ali al-Attar hatte ihrem Wunsch entsprochen.
    In der dritten Nacht nach Leonors Tod kam Gonzalo bei Zahras Untersuchung seiner Wunde zum ersten Mal richtig zu sich. Ungläubiges Staunen trat in seine Augen. »Ihr?«, rief er. »Wieso seid Ihr bei mir?«
    »Ich würde eher

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