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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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und lauschte. Noch mehr als die Entdeckung durch die ortsansässigen Kastilier fürchtete sie den Hauptmann und seine Soldaten. Sie war sich sicher, dass dieser selbst dann keinen Finger für ihren Bruder rühren würde, wenn sie ihm Raschid hier hätte zeigen können. Ihm war nur wichtig zu beweisen, wie viel mehr Macht er hatte als sie.
    Als es zu dämmern begann, schlich Zahra näher an den Ort heran. Sie kam an eine ärmliche Kate mit windschiefem Dach; aus dem Schornstein stieg Rauch auf. Zahra ging weiter zu den nächsten Häusern, die ein ähnliches Bild boten. Erst zweihundert Schritte weiter entdeckte sie einen Hof, der von seinen Ausmaßen kaum kleiner war als die Seidenfarm ihrer Familie. Zahra ahnte, dass sich nur der Herr dieses Anwesens Sklaven leisten konnte, und beschloss, weitere Nachforschungen auf die späte Nacht zu verschieben. Als sie wieder bei ihrem Pferd war, suchte sie sich einen dicken Ast und legte sich dann ins Gras, um ein paar Stunden zu schlafen.
     
    Ein Knacken schreckte Zahra auf. Sie schnappte sich den Ast, sprang auf die Füße und lauschte in die Dunkelheit. Grillen zirpten, in der Ferne jammerte eine rollige Katze, eine Fledermaus zischte über ihren Kopf – dann war es wieder totenstill.
    Zahra strich ihrem Rappen über den Hals. Er schnaubte dankbar.
    »Dann mache ich mich jetzt wohl mal auf den Weg zur Farm«, sagte sie leise zu ihm. Sie richtete ihren Hidschab, betete inständig ein
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und marschierte los.
    Als sie die ersten Häuser erreichte, schoss ihr die Frage durch den Kopf, wie sie Raschid überhaupt meinte befreien zu können – mit nichts als ihren bloßen Händen. Sie schluckte, ging aber entschlossen weiter. Auf dem Hof schien alles ruhig zu sein. Sie huschte zum Tor, versuchte es aufzudrücken, doch es war von innen verriegelt. Mit nach oben gerichtetem Blick ging sie die Einfriedungsmauer entlang. Zweimal machte sie die Runde um die Farm, doch selbst mit einem Helfer, auf dessen Schultern sie hätte steigen können, hätte sie nirgends über die Mauer kommen können. Eigentlich war das auch kein Wunder: Die Menschen hier waren ständig den Angriffen der Mauren ausgesetzt. Da war es nur natürlich, dass sie ihre Mauern ein bisschen höher zogen.
    Unschlüssig lief Zahra zurück in Richtung ihres Pferdes und wurde bei einer Bauernkate auf ein paar Kleider aufmerksam, die dort auf der Wäscheleine zum Trocknen hingen. Sie lauschte, fand alles ruhig und konnte auch keinen Hund entdecken. Sie huschte zu der Leine, hängte ein Kleid, ein Unterkleid und ein Kopftuch ab und eilte weiter zu ihrem Pferd. Als sie sich das leinene Unterkleid und das schlichte Wollkleid überzog, zitterten ihre Hände vor Aufregung. Wenn nicht heimlich in der Nacht, dann werde ich Raschid eben morgen ganz offen suchen gehen, beschloss sie und sprach sich selbst Mut zu.
    Bei Tageslicht begriff Zahra, wie töricht ihr Plan war. In einem solch kleinen Ort würde jeder jeden kennen und sie sofort als Ortsfremde ausmachen, und bis zum Mittag wussten wahrscheinlich alle, dass in der Nacht einer der Frauen ein Kleid von der Wäscheleine stibitzt worden war. Da sie aber keine andere Möglichkeit sah, machte sie sich dennoch auf den Weg. Während sie noch grübelte, wie sie vorgehen sollte, ritt ein bulliger Kerl an ihr vorbei. Zahra erkannte in ihm den Mann, der ihren Bruder ausgepeitscht hatte. Rasch verbarg sie sich zwischen zwei Häusern und sah, dass er zu der Pferdetränke ritt, in die er ihren Bruder gestoßen hatte. Er stieg ab, zerrte sein Pferd zu der Tränke, doch kaum hatte das arme Tier zu saufen begonnen, riss er es bereits grob wieder zurück, schwang sich in den Sattel und trieb es in Richtung Farm. Zahra folgte ihm vorsichtig. Als der Wächter den Kerl sah, öffnete er ihm diensteifrig das Tor und ging mit ihm hinein. Zahra schlich ihnen nach. Die beiden redeten und wandten ihr dabei den Rücken zu. Ohne zu überlegen, huschte Zahra hinein, stahl sich an der Wand entlang und verbarg sich hinter dem Brunnen. Erst als die beiden den Hof verließen, wagte sie sich weiter. Sie schlich in den Pferdestall, vergrub sich im Stroh und beschloss, die Nacht abzuwarten.
     
    Die Zeit wurde Zahra lang. Als ihr Magen so sehr knurrte, dass sie befürchtete, ein hereinkommender Stallbursche könne es hören, stopfte sie Pferdehafer in den Mund und würgte ihn trocken herunter. Endlich senkte sich der Tag und brachte das geschäftige Treiben auf dem Hof zum Erliegen. Als Zahra annehmen

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