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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Pferdetränke … Wo mochte die sein? Der bullige Mann war Kastilier gewesen, und das könnte darauf hinweisen, dass Raschid bei den Kastiliern war. Aber wieso trug er eine Eisenfessel am Fuß? Die wurden doch nur Sklaven angelegt, die versucht hatten, davonzulaufen …
    Zahra rief sich noch einmal ihr Gespräch mit dem Santon in Erinnerung. »Bist ihm so nah und siehst ihn trotzdem nicht«, hatte er gesagt. Nah – was hieß nah? Mein Gott, Ställe und Pferdetränken und Kastilier gab es doch im ganzen Land. Wie sollte ihr das dabei helfen, ihren Bruder wiederzufinden?
    Wie vom Blitz getroffen, schoss Zahra aus ihrem Bett hoch. »Tamu, Zainab, wacht auf. Ich weiß, wo Raschid ist!«
     
    Wie Zahra es nicht anders erwartet hatte, erklärte Zainab sie für verrückt und drehte sich schon nach wenigen Erklärungen von ihr auf die andere Seite, um weiterzuschlafen. Tamu aber hörte ihr aufmerksam zu. Als Zahra ihr von der Pferdetränke erzählte, erinnerte auch sie sich sofort an das kastilische Dorf, durch das sie vor zwei Tagen geritten waren. Ihre Begleitsoldaten hatten gewagt, den Ort, der in feindlichem Gebiet lag, zu durchqueren, da sie wussten, dass hier keine Soldaten waren.
    Tamu nickte. »Redet mit dem Hauptmann unserer Eskorte. Für ihn und seine Soldaten sollte es ein Leichtes sein, Euren Bruder dort zu befreien!«
    Zahra ging sogleich zu ihm, aber der Hauptmann, ein übellauniger, vollbärtiger Mann Ende fünfzig mit fauligem Mundgeruch, wollte nichts von ihren »Spinnereien« hören. »Ich habe den Auftrag, Euch zu Eurem Vater zu bringen, und nicht mehr und nicht weniger werde ich tun!«
    Alles Reden, Bitten und Flehen konnte ihn nicht umstimmen. Zainab kam hinzu und stieß ihr ungehalten in die Seite. »Mein Gott, sei endlich still! Merkst du nicht, dass du uns alle zum Gespött machst? Die Soldaten da hinten reißen schon Witze über uns!«
    Wütend wandte sich Zahra von dem Hauptmann und ihrer Schwester ab und ging zurück in ihr Zimmer. Eine Stunde später befahl der Hauptmann den Aufbruch. Notgedrungen bestieg auch Zahra ihren Rappen. Sie folgte dem Trupp und prägte sich sorgsam die Strecke ein, die sie zurücklegten.
    Am nächsten Morgen stand Zahra schon vor der Morgendämmerung auf. Wenn der Hauptmann ihr nicht helfen wollte, dann würde sie sich eben allein auf die Suche nach ihrem Bruder machen. Lautlos kleidete sie sich an, drückte die Türklinke herunter, zog sie auf – und blickte in das Gesicht eines Soldaten. Höhnisch grinsend schüttelte er den Kopf. »Eine junge Dame auf Abwegen, ai, ai, ai, das wird unserem Hauptmann aber gar nicht gefallen!«
    Ärgerlich drückte Zahra die Tür wieder zu und lief zum Fenster, doch auch das bot keine Fluchtmöglichkeit: Das Maschrabiya-Gitter war fest in der Wand verankert. Ratlos sank sie auf ihr Bett.
     
    Bevor sie aufbrachen, versuchte Zahra noch einmal, den Hauptmann umzustimmen, doch er fiel ihr sogleich ins Wort. »Ali al-Attar hat mich vor Euch und Euren Schlichen gewarnt. Entweder Ihr fügt Euch jetzt meinen Befehlen, oder ich lege Euch in Ketten. Damit wisst Ihr auch, was Euch erwartet, wenn Ihr noch einmal meint, Euch vor Tagesanbruch aus Eurem Zimmer stehlen zu müssen. Und erzählt mir jetzt nicht, Ihr hättet nur frische Luft schnappen wollen!«
    Zahra blies die Backen auf, erwiderte aber nichts. Ohne den Hauptmann noch eines Blickes zu würdigen, schwang sie sich auf ihr Pferd und ritt gehorsam mit den anderen mit, doch mit jeder Legua, die sie weiter in die falsche Richtung reiten musste, wuchs ihre Wut. Als sie auf eine nicht zu dicht bewaldete Stelle zuritten, ließ sie ihr Pferd allmählich zurückfallen, und als sie eine besonders lichte Stelle erreichten, riss sie das Pferd herum und trieb es mit heftigen Fersentritten ins Unterholz.
    »Das Weib türmt, los, hinterher!«, schrien die beiden Soldaten, die direkt vor ihr geritten waren, und der Hauptmann brüllte: »Na los, ihr Idioten, worauf wartet ihr? Wenn sie uns entkommt, schneidet uns Ali al-Attar die Eier ab!«
    »Lauf, so lauf doch, schneller, schneller«, trieb Zahra ihr Pferd an. »Sie dürfen uns nicht kriegen!«
    Blätter und Zweige klatschten ihr ins Gesicht, ihr Schleier verfing sich in einem Ast und zerriss. Zahra zerrte ihn und den sie ebenfalls behindernden Hidschab vom Kopf, warf sie achtlos hinter sich und trieb ihren Rappen noch mehr an. »Weiter, mein Guter, lauf, so lauf doch!«
    Erbarmungslos jagte sie das Tier über eine Reihe umgestürzter Bäume,

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