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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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rutschte bei einem der Sprünge seitlich vom Pferd, fing sich wieder und hetzte den Wallach weiter. Sie sah, dass ihre Verfolger dicht hinter ihr waren, lenkte scharf nach rechts in eine Baumgruppe und gleich wieder nach links durchs Dickicht, ohne das Tempo zurückzunehmen.
    »Verdammt, wo ist sie?«, hörte sie die Soldaten brüllen. »Sie kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!«
    Zahra zügelte ihr Pferd und wagte kaum zu atmen. Wenn ich ganz still bin, reiten die Soldaten vielleicht an mir vorbei, dachte sie. In der Tat hörte sie, dass sie sich entfernten, und glaubte sich schon gerettet, als mit einem Mal direkt vor ihr der Hauptmann hoch auf seinem Ross auftauchte und sie angrinste. Er versetzte ihr eine schallende Ohrfeige, deren Wucht sie fast vom Pferd warf. »Wagt das nie wieder!«
    Zahra hielt sich die glühende Wange und blickte ihn zornig an. Und ob ich es noch einmal versuchen werde, pochte es in ihrem Kopf. Der Hauptmann ließ sich ein Seil bringen, band es an ihrem Sattel fest und knotete das andere Ende an den seinen. »Wir wollen doch nicht, dass Ihr Euch verlauft«, höhnte er. Zahra ballte die Hände zu Fäusten, sagte aber kein Wort.
     
    Auch in der folgenden Nacht quälten Zahra heftige Alpträume. Sie sah ihren Bruder, wie er in glühender Sonne angekettet auf einem Platz lag. Er schien mehr tot als lebendig zu sein. Zahra begriff, dass sie schnell handeln musste, aber am nächsten Morgen band der Hauptmann ihr Pferd wieder mit einem Seil an seinem Sattel fest und führte sie weiter und weiter von Raschid weg. Am Abend sank Zahra weinend auf ihr Bett. Irgendwann musste sie eingenickt sein, denn sie wachte auf, weil ihr jemand sanft über den Kopf strich. Zahra drehte sich um und sah ihre alte Dienerin mit einem brennenden Kienspan vor sich. Tamu legte ihr den Finger auf den Mund. Zahra nickte und hob fragend die Augenbrauen. Tamu zeigte auf die Tür, machte eine Geste, die einen dicken Bauch andeutete, legte dann den Kopf seitlich auf die Hände und schloss die Augen. Zahra schnappte nach Luft. »Hast du etwa …?«
    »Scht!« Tamu wies auf Zainab, die sich im Schlaf bewegte. Zahra umarmte sie und zog sich rasch an. Tamu reichte ihr ihren eigenen Hidschab, der um einiges schlichter war, und hängte ihr ihre Kette mit dem blauen Stein um. Zahra wusste, dass dies ihr Schutzgeist war. Sie wollte ihn Tamu zurückgeben, aber diese schüttelte lächelnd den Kopf. Zahra umarmte die gute Alte noch einmal, nahm ihre Schuhe in die Hand und öffnete lautlos die Zimmertür. Der Wächter hockte schnarchend auf dem Fußboden. Nach einem letzten dankbaren Blick auf Tamu eilte Zahra davon.
     
    Bis zum Morgengrauen gestattete sich Zahra keine Rast, obwohl es schwer war, im fahlen Mondschein den Weg wiederzufinden, auf dem sie hergekommen waren. Erst als sie eine Lichtung erreichte, durch die ein Bach plätscherte, gönnte sie ihrem Rappen und sich eine Verschnaufpause. Gierig soff der Wallach das kühle Quellwasser. Auch Zahra trank einige Hände voll Wasser und kühlte sich das Gesicht, um die Müdigkeit zu vertreiben. Anschließend sank sie ins Gras, und als das Pferd zu grasen begann, wurde ihr bewusst, dass auch ihr Magen vernehmlich knurrte. Probehalber knabberte sie an einem Grashalm, spuckte ihn aber wieder aus und sann darüber nach, wo sie etwas Magenfüllenderes für sich herbekommen könnte. Dann aber fiel ihr das abgemagerte Gesicht ihres Bruders ein, und sie setzte sich sogleich wieder in den Sattel.
    Einige Leguas weiter führte ihr Weg an einem Weinberg vorbei, dessen reife Früchte im Sonnenlicht wie Gold glänzten. Sie saß ab, füllte sich mit den süßen Trauben den Magen und nahm sich noch etliche Reben als Proviant mit, ehe sie weiterritt. Erst als die Sonne so heiß auf sie niederbrannte, dass ihr der Kopf zu dröhnen begann, lenkte sie das Pferd in den Wald, um zu rasten. Sie hoffte, dass sie inzwischen einigen Vorsprung vor den Soldaten hatte, die der Hauptmann ihr gewiss hinterhergejagt hatte. Kaum hatte sie sich im Gras niedergelassen, schlief sie auch schon ein.
    Da sie einige Male vom Weg abkam, brauchte sie fünf Tage, um den kleinen kastilischen Ort zu erreichen, in dem sie ihren Bruder vermutete. Viele Kilo Trauben hatte sie seither gegessen, etwas anderes hatte sie nicht finden können.
    Bis dreihundert Schritte wagte sich Zahra mit ihrem Pferd an den Ort heran. Dort hatte sie den Wald in ihrem Rücken und einen guten Ausblick. Sie band ihren Rappen an einem Baum fest

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