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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Eunuchen in die Arme.
    »Gemach, mein Sternchen, du wirfst mich ja um!« Kafur zog sie innig an sich. »Wie geht es dir?«
    »Wenn ich dich sehe, gleich viel besser!«
    Der Eunuch hob mit schalkhaftem Zwinkern den Finger. »Man hört ja wilde Geschichten von dir. Ali al-Attars Hauptmann sollst du ausgebüxt sein, und dann die Befreiung deines Bruders – an Euch ist wirklich ein Mann verlorengegangen!«
    »Bleib doch endlich ganz beim Du, Kafur, bitte!«
    Statt einer Antwort drückte Kafur sie noch einmal an sich. »Besser nur, wenn wir allein sind, Sternchen, du weißt doch, wie es bei Hofe ist. Ach, meine Kleine, was habe ich dich vermisst!« Kafur seufzte. »Du gehst jetzt besser rein zu Aischa. Sie erwartet dich!«
    Zahra richtete ihren Hidschab. »Dann will ich ihre Geduld besser nicht auf die Probe stellen!«
    Kafur trat zurück und öffnete die Tür. »Zahra as-Sulami wartet, von Euch empfangen zu werden, meine Gebieterin!«
    »Dann lass sie vor«, hörte Zahra Aischa antworten. Wie stets verriet ihre Stimme keine Gefühlsregung.
    Kafur öffnete die Tür. Zahra klopfte das Herz bis zum Halse. Sie hoffte so sehr, hier eine neue Bestimmung für ihr Leben zu finden, und ahnte, dass von dieser ersten Begegnung viel abhing. Mit ehrfürchtigen Schritten näherte sie sich Aischa, die stolz und erhaben wie eh und je an einem der hinteren Fenster stand. Sie war allein; Zahra hörte ihr Gefolge im Nebenzimmer schnattern und lachen. Auch in Aischas Miene fand Zahra keinen Hinweis darauf, was sie bei diesem Wiedersehen empfand. Zahra bohrte sich die Fingernägel in die Handballen. Unsicher fuhr sie sich mit der linken Hand grüßend über Brust und Stirn.
»Ma’a salama,
meine Gebieterin.«
    »Ma’a salama,
Zahra. Viele Monate sind vergangen, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben.«
    Zahra sah zu ihr auf und sehnte sich so sehr danach, im Gesicht der Sultanin, die sie so sehr bewunderte, einen Hauch von Wiedersehensfreude oder gar Zuneigung zu finden, dass ihr der Hals eng wurde. Und da huschte tatsächlich eines dieser seltenen Lächeln über Aischas Gesicht. Sie trat vor und zog Zahra an sich. »Ach, es tut gut, dich wieder hier zu haben«, seufzte sie.
    Vor Freude brachte Zahra kein Wort heraus, doch gewiss verriet Aischa auch ihr verschämtes Schniefen, wie sehr sie ihre Worte bewegt hatten. Als Aischa sie wieder losließ, schimmerten auch deren Augen ein wenig, doch anders als Zahra hatte sie sich sofort wieder in der Gewalt. Sie klatschte zweimal in die Hände. Die Tür zum Nebenzimmer öffnete sich, und Laila brachte ihr einen kunstvoll bestickten Hidschab.
    Also geht Aischa doch zu der Versammlung, dachte Zahra und war enttäuscht, dass sich Aischa noch nicht einmal ein paar Minuten Zeit für sie nahm. Sie machte Anstalten, ihren Hidschab und ihren Schleier abzunehmen, aber Aischa hielt ihre Hände fest. »Aber nein, Zahra, du kommst mit!«
    »Ich soll …«, stotterte Zahra.
    »Nein, du darfst!« Aischa nickte ihr aufmunternd zu.
    Vor Freude und Aufregung wurde Zahra puterrot. Sie wusste, welch besondere Ehre Aischa ihr mit dieser Einladung zuteilwerden ließ. Die Sultanin war gewöhnlich die einzige Frau, die den Thronsaal betreten durfte.
    »Jetzt schau nicht so«, rief Aischa, und erneut ließ ein kleines Lächeln ihre Augen aufleuchten. »Ich dachte, es würde dich interessieren, einmal einer Versammlung im Thronsaal beizuwohnen, und Boabdil hatte nichts dagegen!«
    »Und ob mich das interessiert!«, jubelte Zahra und wäre Aischa am liebsten um den Hals gefallen.
     
    Zwar hatte Zahra ihren Vater schon oft vom Thronsaal erzählen hören, aber als sie ihn jetzt betrat, war sie von seiner Pracht trotzdem so überwältigt, dass sie die anwesenden hohen Herren im ersten Moment fast übersah. Durch die bunten Gläser der zahlreichen Fenster flutete goldschimmerndes Licht in den Raum und brachte die weißen und goldgelben Fliesen auf dem Boden zum Strahlen. Erst auf den zweiten Blick fiel Zahra auf, dass die bunten Gläser der Fenster die gleiche geometrische Anordnung aufwiesen wie die kostbare Wandkacheltäfelung. Die Decke ruhte auf einem geschnitzten Holzfries, auf dem die Sure Nummer 67 des Korans dargestellt war. Der dritte Vers lautete: »Er hat die sieben übereinander gelegenen Himmel erschaffen.« Wie ein Himmel kam Zahra das Gewölbe über ihr vor. Von ihrem Vater wusste sie, dass der erste Himmel aus Smaragden bestand, der zweite aus roten Margaretenblumen, der dritte aus roten Hyazinthen, der

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