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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Deswegen bin ich auch mit meinen Leuten hergekommen. Zwar haben wir noch unser Vieh, aber wo sollen wir es jetzt unterbringen? Wir hofften, hier in Granada bei unseren Verwandten unterkommen zu können …« Der Mann wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.
    »Ich habe dir doch schon gesagt, Harun, dass ihr alle auf unseren Beistand und Lohn zählen könnt!«, meinte Boabdil. Bei diesen Worten begann Zahra zu begreifen, dass für die Kastilier nicht alles so ausgegangen war, wie diese es sich vorgestellt hatten, und bangte noch mehr um Gonzalo und Jaime.
    Der Mann fasste sich. »Auf ihren Eroberungszügen mussten die Christen Schluchten durchqueren, die so eng und felsig sind, dass sie ihre Pferde hinter sich herführen mussten. Wir rotteten uns auf den Bergspitzen zusammen. Als die Kastilier kamen, schleuderten wir Wurfspieße und Steine auf sie hinab und brüllten, was unsere Lungen hergaben. Zwischen den Berghängen hallten unsere Stimmen tausendfach wider und täuschten sie wohl über unsere wirkliche Stärke. Sie gerieten in Panik und versuchten zu entkommen, aber überall versperrten ihnen ihre getöteten Kameraden und Pferde den Weg, so dass wir mit unseren Wurfgeschossen noch viele von ihnen töten konnten.« Der Bauer klang immer selbstbewusster. »Selbst unsere Frauen kamen uns zu Hilfe, und so hatten wir bald alle Klippen, Türme und Bollwerke besetzt und damit die meisten noch lebenden Christen in dem engen Tal eingeschlossen.« Harun blickte zu Boabdil, in dessen Miene an diesem Punkt der Geschichte Bekümmerung trat.
    »Leider kommt nun ein Mann ins Spiel, von dem wir in diesem ruhmreichen Zusammenhang lieber nichts gehört hätten«, fuhr Boabdil fort. »Es erschallte der Kampfruf meines Onkels az-Zagal. Er wollte den Bauern mit seinen Truppen helfen und griff die Christen in dem Tal an. Doch fahr selbst fort, Harun!«
    »Wir Bauern hielten noch immer die Bergkämme und sahen, dass az-Zagal und seine Soldaten in Bedrängnis gerieten, denn die Christen wussten ihr Blut teuer zu verkaufen! Also stießen wir Felsbrocken von den Hängen, die donnernd über die Nazarener hereinbrachen und sie wie eine Sturzflut hinwegrissen.«
    »Danach«, übernahm nun wieder Boabdil das Wort, »war az-Zagal der Sieg gewiss. Unsere Spitzel berichten, dass in dem Tal Hunderte von toten Christen liegen. Außerdem konnte az-Zagal zweihundertfünfzig Ritter, Befehlshaber und Hidalgos von edlem Geschlecht gefangen nehmen, und im Hof seiner Alcazaba werden derzeit fünfhundertsiebzig gemeine Soldaten zusammen mit unzähligen Händlern, die nicht genug Geld haben, sich auszulösen, zum Verkauf als Sklaven angeboten. Wahre Türme von christlichen Rüstungen, Waffen und Fahnen liegen in az-Zagals Stadt, und seine Koppeln quellen über von den Pferden der Christen!«
    Zahras Herz klopfte bis zum Hals. Nach all dem Gehörten hatte sie kaum noch Hoffnung, dass Gonzalo und Jaime aus diesem grauenhaften Massaker lebend herausgekommen sein konnten.
    Boabdil machte dem Bauern Zeichen, dass er sich zurückziehen könne. Kaum hatte dieser die hohen Hallen verlassen, erhob sich ein heftiges Debattieren und Durcheinanderrufen unter den maurischen Führern. »Az-Zagal wird den Part der Bauern an dem Sieg unterschlagen und ihn allein als den seinen auslegen«, erboste sich ein Faqih, und ein anderer rief: »Das Ganze wird az-Zagal und Hassan zum Ruhm gereichen und ihnen wieder die Herzen unserer Landsleute zufliegen lassen!«
    Erst als Boabdil die Stimme hob, kehrte Ruhe ein. »Ja, ihr habt recht, az-Zagal schmückt sich tatsächlich allein mit dem Lorbeer des Sieges. Er behauptet, die Tage des alten Ruhmes seien zurückgekommen und man habe die Christen gelehrt, dass die Schlacht nicht dem Starken ist, sondern dass Allah,
ta’ala,
allein den Sieg verleiht.«
    »Es wird nicht lange dauern, bis diese Kunde zu den Menschen hier vordringt«, knurrte Ali al-Attar. »Und deswegen müsst nun auch Ihr handeln und Siege vorweisen, weil sie sonst wieder zu Hassan überlaufen!«
    »Wollen wir wirklich in az-Zagals und Hassans Fußstapfen treten und den Krieg damit zurück in unsere Stadt holen?«, warf Raschid ein.
    Boabdil sah zwischen Ali al-Attar und Raschid hin und her. Zahra fiel auf, wie sehr er in diesem Moment seiner Mutter ähnelte. Mit nichts verriet seine Miene, was er dachte oder fühlte. Trotzdem war es nicht schwer, den Zwiespalt zu erahnen, in dem er sich befand. Als er sich zum Emir hatte huldigen lassen, hatte er den

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