Die Maurin
vierte aus hellem Silber, der fünfte aus Gold, der sechste aus Perlen und der siebte aus glänzendem Licht.
Der quadratische Saal hatte auf jeder Seite tiefe Balkone mit wertvollen, kassettierten Holzdecken. Die mittleren Öffnungen wiesen geteilte Bogenfenster auf. Im nördlich gelegenen Hauptbalkon, im Gegenlicht zwischen den Fenstern, stand Boabdils Thron. Auf den Kacheln darüber las sie:
»Yussuf wählte mich, um die Stelle des Throns im Königreich zu übernehmen.«
Der Wachsoldat kündigte das Eintreffen des Emirs an. Das Murmeln und Tuscheln wich achtungsvollem Schweigen. Als Boabdil auf seinen Thron zuschritt, standen die Anwesenden auf und verneigten sich vor ihm. Selbst er durfte nicht die Inschrift betreten, die in der Mitte des Raumes, direkt unter der hohen Kuppel, auf den Boden geschrieben stand:
»Es gibt keinen Sieger außer Gott.«
Würdevoll nahm Boabdil Platz. Zahra sah, wie seine Silhouette im Gegenlicht erstrahlte, und fühlte sich auf einmal sehr gehemmt. Dieser Boabdil wirkte so ganz anders als der junge Mann, den sie mit Kafur in Almería angetroffen hatte und mit dem sie tagelang durch die Vega gezogen waren. Ehrfürchtig wich sie zurück und trat beinahe auf Aischas Fuß. Augenzwinkernd wies die Sultanin ihr einen Platz hinter den Faqihs zu, während sie selbst den ihren an Boabdils Seite einnahm. Erst als sich Zahra auf ihrem Kissen niedergelassen hatte, entdeckte sie unter den Anwesenden ihren Bruder, den ihre Anwesenheit offenkundig erstaunte.
Kurz darauf öffnete sich die doppelflügelige Eingangstür noch einmal. Der Wachsoldat meldete Ali al-Attar. Erschrocken zog sich Zahra den Hidschab tiefer ins Gesicht. Ihr war klar, dass er über ihre Flucht erbost sein musste, gar nicht davon zu reden, wie wütend er nach Hayats Weggehen auf sie gewesen war. Ali al-Attar aber bemerkte sie nicht, sondern ging direkt zu seinem Schwiegersohn, begrüßte ihn mit einer tiefen Verbeugung und nahm seinen Platz neben Aischa ein.
»Ich habe Euch hergebeten, weil wir Neuigkeiten aus Axarquía in der Region Vélez-Málaga erhalten haben«, begann Boabdil seinen Bericht. »Vor zwei Wochen sind dort die Christen eingefallen. Unter ihren Anführern waren so bedeutende Ritter wie der Marqués de Cadiz, Alonso de Cardenas, Großmeister des geistlichen und militärischen Santiagoordens, und die drei Aguilar-Brüder.«
Zahra zuckte zusammen. Sie hörte nicht mehr, welch andere hochgestellte Ritter Boabdil noch anführte; in ihrem Kopf hallte bei jedem Pulsschlag nur immer wieder der Name Aguilar wider. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich nicht nur um Gonzalo, sondern auch um Jaime Sorgen machte. Um ihrer Halbschwester willen hoffte sie, dass Miguel nicht unter den kastilischen Soldaten war. Wenn ihm etwas zustöße, stünde Hayat im Christenland ganz allein da.
»Wie man hört, waren sich die Kastilier ihres Sieges so gewiss, dass sie eine ganze Karawane Händler mit sich führten, die ihnen ihr Plünderungsgut nach dem Sieg abkaufen sollten.«
»Ihre Selbstsicherheit darf uns nicht wundern«, merkte der Wesir an. »Schließlich haben die Christen wegen unseres Bürgerkriegs derzeit große Teile unseres Landes fast ohne Verteidigung vor sich liegen!«
Boabdil nickte. »Die Kastilier planten, die Landstriche bis Málaga in einem Streich zu erobern. Als sie die Täler von Axarquía erreichten, bauten sie dort ihr Nachtlager auf. Aber alles Weitere erzählt uns besser Harun, der das Ganze miterlebt hat.«
Er machte eine Geste zum Wachsoldaten hin, woraufhin dieser einen Bauern in den Thronsaal führte, der sich unsicher umblickte. Die Faqihs, Qadis, der Oberqadi und die Vertreter der mächtigsten maurischen Adelsfamilien blickten erstaunt zwischen Boabdil und dem einfachen Mann hin und her, dem man unter normalen Umständen niemals den Zutritt zu diesem Saal gestattet hätte.
Boabdil nickte ihm aufmunternd zu. »Erzähl uns, was geschehen ist, Harun, ebenso, wie du es gestern mir erzählt hast!«
Der kleine, magere Mann schluckte. »Wir – wir Bauern haben die christlichen Soldaten frühzeitig kommen sehen, noch in der Nacht unser Vieh in Sicherheit gebracht und uns mit unseren Weibern und Kindern in den Bergen versteckt.«
Er blickte zu Boabdil, und als dieser ihm freundlich zunickte, fuhr er mit festerer Stimme fort. »Als die Kastilier unsere Dörfer am nächsten Morgen überfielen, fanden sie diese leer vor. Aus Wut darüber zündeten sie unsere Häuser an und verwüsteten unser Land.
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