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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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du ihn kennen würdest, würdest du so etwas nicht sagen.«
    »Mein Gott«, stöhnte Raschid. Sie gingen schweigend nebeneinander her. »Und Hayat? Warum sagst du nicht einmal mir, wo sie ist?«
    »Weil ich es ihr versprochen habe.«
    »Aber wer weiß, wie es ihr jetzt geht, so allein …«
    »Sie ist nicht allein.« Zahra sah ihren Bruder vielsagend an. Er hob abwehrend die Hände. »In diesem Fall will ich wohl wirklich nicht mehr wissen.«
    »Soll das heißen, auch du verurteilst Hayat?«
    »Verurteilen ist ein großes Wort. Ich maße mir nicht an, über andere zu richten.«
    Zahra beschloss, es bei dieser Antwort zu belassen.
    »Eigentlich hatte ich gehofft«, fuhr sie nach einer Weile in bitterem Ton fort, »dass mir Vater wenigstens deine Befreiung zugutehalten würde.«
    Raschid lachte auf. »Du bist wirklich unmöglich, Zahra! Das erinnert mich an die Zeit, als wir sechs, sieben Jahre alt waren. Da hast du einmal in der Küche einen ganzen Berg Plätzchen stibitzt, und als Mutter später dahinterkam und du wusstest, dass es jetzt ein Donnerwetter gibt, hast du schnell dein Zimmer aufgeräumt und es ihr strahlend vorgeführt. Mutter musste so lachen, dass sie ihre Verärgerung darüber tatsächlich vergaß.«
    Zahra lehnte sich an seine Schulter. »Ach, Raschid, ich bin nun einmal, wie ich bin.«
    »Und anders will ich dich auch gar nicht haben«, lächelte Raschid und küsste sie auf die Stirn.
     
    In den nächsten Tagen sprach Raschid viel mit seinem Vater, und auch wenn Zahra ihm nicht vor die Augen treten durfte, so erlaubte er Raschid doch, sie mitzunehmen, wenn er am nächsten Tag zu seinen Schwiegereltern ritt, um Deborah abzuholen. Raschid konnte es kaum erwarten, seine Frau und seine Kinder in die Arme zu schließen und mit auf die Seidenfarm zu nehmen.
    Zahra sah ihn erstaunt an. »Vater erlaubt, dass ich dich begleite? Aber mit mir reden will er noch immer nicht?«
    »Gib ihm Zeit«, bat Raschid. »Er muss das alles erst einmal verdauen. Zumindest hat er Maria akzeptiert. Sie kann hier arbeiten und ist ganz glücklich darüber. Tamu umhegt sie ja auch, als sei sie ihr eigenes Kind.«
    Zahra nickte. Sie war froh, dass Maria Tamu ein Stück weit aus der Lethargie riss, die sie nach dem Tod ihrer Mutter befallen hatte.
    »Im Hinblick auf Vater sollte ich mich wohl auch nicht zu sehr beklagen. Immerhin hat er mich nicht verstoßen, und wie es aussieht, hat er auch nicht vor, mir gleich den nächsten Mann aufzudrängen.« Und doch hätte sie vieles in Kauf genommen, wenn er sie nur nicht weiter wie Luft behandelt hätte.
    »Ich nehme an, so leicht wird er auch keinen neuen Mann für dich finden«, gab Raschid zurück. »Deine Eskapaden sprechen nicht gerade für dich!« Als er Zahras empörtes Gesicht sah, zog er sie lachend an sich. »He, Schwesterchen, ich spreche lediglich aus der Sicht von zukünftigen Bewerbern, auf die du ohnehin keinen Wert legst. Für mich bist du die Größte und wirst das auch immer bleiben!«
    Zahra ließ sich von seinem Lachen anstecken. »Das will ich dir auch geraten haben, sonst rette ich dich nie wieder! Und Yazid – was sagt Vater über ihn?«
    »Dass er ihn töten wird«, antwortete Raschid und wurde sofort wieder ernst. »Allerdings wird ihm das nur gelingen, wenn ich den Verleumder nicht vor ihm erwische!«
    In Zahras Kopf klangen die Worte des Santons wider:
»Dann wisse, dass dich noch großes Leid erwartet, mein Kind! Unser ganzes Volk wird schwer geprüft werden, aber deine Familie wird es besonders hart treffen, und du wirst am meisten von allen zu leiden haben!«
Sie blickte zu ihrem Bruder auf und hoffte, dass nicht auch er zu den Opfern gehören würde. Er hatte wahrlich schon genug gelitten.

13.
    Granada
    24 . März 1483
    N eun Monate waren vergangen, eine Zeit, die Zahra überwiegend an der Seite ihres Bruders und seiner Familie verbracht hatte – sein zuletzt geborenes Kind war, wie Deborah es sich gewünscht hatte, ein Mädchen und hieß Sadiya, »die Glückliche«. Das Leben in Granada hatte sich mittlerweile normalisiert, so dass die Familie nun wieder in ihr Stadthaus zog. Hier suchte Raschid schon am zweiten Tag Boabdil auf, mit dem er in seiner Jugend viel Zeit verbracht hatte. Als Raschid von der Alhambra zurückkam, richtete er Zahra von Boabdil und seiner Mutter die herzlichsten Grüße aus, woraufhin Zahra nur mürrisch mit den Achseln zuckte.
    »Was hast du?«, fragte Raschid belustigt. »Bist du immer noch beleidigt, dass Vater dich nicht

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