Die Maurin
saß Raschid auf dem Diwan und hob hilflos die Achseln. Offensichtlich hatte er schon versucht, ihren Vater zu beschwichtigen, aber so wütend, wie dieser sie ansah, war er offensichtlich nicht erfolgreich gewesen. Er schoss auf sie zu und blieb zornbebend vor ihr stehen. »Was glaubst du eigentlich, was du dir noch alles erlauben kannst? Du bist eine Frau und hast zu gehorchen! Aber ich wusste ja damals schon, dass dir Aischas unabhängiger Geist nur den Kopf verdrehen würde!«
»Aischa hat damit gar nichts zu tun«, setzte Zahra an.
Ihr Vater fiel ihr ins Wort: »Rede gefälligst nur, wenn du gefragt wirst!«
Zahra senkte den Kopf.
»Als Erstes sagst du mir jetzt, wo ich Hayat finde.«
Zahra schluckte.
»Antworte!«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber du hast ihr bei ihrer Flucht doch geholfen, oder etwa nicht?«
Zahra nickte beklommen.
»Also: Wo ist sie?«
»Sie … Es geht ihr gut.«
»Das habe ich dich nicht gefragt!«
Zahra kamen die Tränen. »Vater, bitte, so versteht doch: Sie hatte solche Angst davor, nach Marokko zurückzukehren, und als sich ihr die Möglichkeit bot, ein neues Leben anzufangen …«
»Was?«, brüllte ihr Vater.
Mit einem Mal stieg auch in Zahra Wut auf. Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und sah trotzig zu ihm auf. »Ein neues Leben, ja, oder ein Leben überhaupt! Euch ist es doch egal, wie es uns in unseren Ehen geht. Hayat war todunglücklich in Fès, ihr Mann hat sie nicht weniger misshandelt als seine zweite Frau, und auch Zainab: Wie habt Ihr sie nur mit Ibrahim verheiraten können? Er ist ein Vieh, eine Bestie, ein …«
Eine schallende Ohrfeige brachte Zahra zum Schweigen, doch der Zorn in ihren Augen flackerte unvermindert heftig. Jetzt ist ohnehin schon alles gleich, dachte sie und schrie ihren Vater weiter an: »Das Schwein hat mich vor die Farm gelockt und sich an mir vergangen! Überall hat er mir seine widerlichen Finger und seine gierige Zunge reingesteckt. Er liebt es, wenn Frauen Angst vor ihm haben, er weidet sich daran, wenn sie sich wimmernd vor ihm winden, das bringt seine Männlichkeit erst richtig zum Schwellen. Und so einem widerlichen Schwein gebt Ihr Eure jüngste Tochter!«
Abdarrahman starrte Zahra an, öffnete und schloss den Mund und drehte sich dann ruckartig von ihr weg. Mit Schritten, als lasteten Zentner auf seinen Schultern, ging er zum Fenster und schlug mit der geballten Faust auf den Rahmen. »Du lügst!«
»Nein, Vater«, erwiderte Zahra leise. »Ich lüge nicht.«
Ohne sich umzudrehen, hob er die Hand und machte ihr und Raschid Zeichen, dass sie das Zimmer verlassen sollten.
Zahra folgte Raschid in den Garten, doch auch als sie etliche Male zwischen den Blumenrabatten auf und ab gegangen war, war ihre Wut noch nicht verflogen.
»Das alles musste Vater doch einmal jemand sagen!«, stieß sie schließlich hervor.
Raschid tätschelte ihr den Rücken. »Na ja, vielleicht, aber der Moment und das Wie und dann gerade du …« Er hob die Augenbrauen.
Unwillig warf Zahra ihr Haar zurück. »Wer soll es ihm denn sonst sagen? Mutter ist ja …«
Sie schlug sich auf den Mund, aber Raschid nickte ihr beruhigend zu. »Schon gut. Ich weiß es. Vater hat es mir eben gesagt.«
Sie sah, wie ihr Bruder die Lippen zusammenpresste.
»Hat sie sehr gelitten?«, fragte er schließlich.
Zahra schüttelte den Kopf. »Sie war glücklich über Mahdis Geburt. Aber Tamu sagt, Vater habe den Kleinen noch nicht einmal richtig angesehen. Meinst du, dafür hat Mutter ihn zur Welt gebracht?«
Raschid zuckte mit den Achseln. »Es ist alles zu viel auf einmal. Auch für Vater.«
»Dass gerade du zu ihm hältst …« Zahra sah ihn an. »Als du an diesem Tag nicht zurückgekommen bist, hat er sich einreden lassen, du wärst zu den Kastiliern übergelaufen. Niemand durfte deinen Namen erwähnen!«
»Ich weiß, er hat es mir gesagt. Und auch, wie leid es ihm tue, dass er mich falsch eingeschätzt und nicht schon früher nach mir gesucht habe. Aber so, wie sich die Dinge dargestellt haben, sprach auch alles gegen mich!«
»Die Dinge, die Dinge … Er hätte auch wie Mutter reagieren und einfach Vertrauen zu dir haben können!«
»Vater ist eben, wie er ist.« Raschid schwieg eine Zeitlang und fragte dann: »Hat es Zainab wirklich so schlecht mit diesem Ibrahim getroffen?«
Zahra nickte. »Sie konnte ja manchmal ein ganz schönes Aas sein, aber das hat sie nicht verdient!«
»Vielleicht geht Ibrahim mit ihr anders um als mit dir …«
»Wenn
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