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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Schulter und küsste seine Frau aufs Haar. Zahra nickte und zwang sich, ihren Blick von der Tür loszureißen. Als Raschid den Patio verließ, konnte auch sie die Tränen nicht länger zurückhalten.
     
    Zwei Stunden später brach Boabdil mit seiner Truppe auf. Neuntausend Fußsoldaten und siebenhundert Reiter hatte er hinter sich vereinen können, unter ihnen auch Anhänger seines Vaters. Wenn es darum ging, die Christen zu bekämpfen, war es für die meisten Mauren zweitrangig, wer sie anführte.
    Auch Zahra und Deborah gehörten zu den Menschen, welche die Straßen säumten, über die das Heer die Stadt verlassen würde. Begleitet von Tamu, standen sie unweit der hufeisenförmigen Puerta de Elvira und wollten Raschid noch einen letzten Blick zuwerfen, ehe er in die Schlacht zog. An der Spitze des Heeres, direkt nach den Trompetern, Trommlern und Spähern, erschien Boabdil. Erhaben und ganz in Weiß gekleidet, ritt er im gleißenden Sonnenlicht auf seinem prächtig aufgeputzten Atlasschimmel dem Stadttor entgegen, hinter sich ein Heer, wie es entschlossener nicht sein konnte, und über allem wehte verheißungsvoll die blau-goldene Standarte mit dem Halbmond. Die Menschen jubelten ihrem jugendlichen Herrscher und seinen Soldaten zu, und Boabdil wirkte so zuversichtlich und siegesgewiss, dass ihr Jubel noch heftiger anschwoll.
    Kurz vor der Puerta de Elvira drehte sich Boabdil noch einmal zur Alhambra um, von wo aus ihm zwei Frauen aus dem Frauenturm nachsahen: seine Mutter und seine Frau Morayma, die er in den letzten Monaten endlich näher kennen- und sogar lieben gelernt hatte. Grüßend hob er seine goldene Königslanze in ihre Richtung, senkte sie wieder und trieb sein Pferd, sich noch einmal umsehend, weiter auf die Puerta de Elvira zu – bis ihn ein heftiges Rucken durchfuhr und man etwas bersten hörte. Alle sahen zu Boabdils Lanze. Er hatte mit ihr die Wölbung des Tors gerammt, ihre goldene Spitze lag abgebrochen im Straßenstaub. Viele um ihn herum erbleichten.
    »Das ist ein schlechtes Omen«, jammerte der Edle an Boabdils Seite so laut, dass auch Zahra und Deborah ihn hören konnten. »Gebieter, lasst uns umkehren und die Astrologen nach einem besseren Tag für unseren Auszug befragen!«
    Boabdil zog seinen Krummsäbel aus dem Schaft und ließ ihn im Sonnenlicht aufblitzen. »Ich denke, das hier wird reichen, um die Christen das Fürchten zu lehren!«
    Raschid, der zusammen mit sechs anderen Adligen als Leibwache des Emirs abgestellt war und direkt hinter diesem ritt, befahl einem seiner Soldaten, seine Lanze gegen die Boabdils auszutauschen. Doch auch dies konnte die Menschen, die das Zerbrechen der Lanze beobachtet hatten, nicht beruhigen. Ein unheilschwangeres Tuscheln schwoll unter den Soldaten und unter den Schaulustigen an, viele blickten sich ängstlich an, Deborah schluchzte auf, fasste Zahras Hand und presste sie gegen ihr Herz.
    »Der Allmächtige wird ihnen beistehen.« Zahra zog ihre Schwägerin an sich und bemühte sich vergeblich, den Knoten zu ignorieren, der sich beim Abbrechen der Lanze auch in ihrem Magen gebildet hatte.
     
    Vor den Toren von Loja stieß Ali al-Attar zu dem Heer, und mit ihm seine tapfersten Krieger. Männer und Frauen, Kinder und Alte jubelten von den Zinnen der Stadtmauer, als Ali al-Attar auf seinem feurigen Berberross auf Boabdil zuritt. Das Gesicht des alten Kriegers, der fast schon ein Jahrhundert hier lebte, zuckte vor Eroberungslust, in seinen nachtschwarzen Augen flackerte die Wildheit eines Wolfes. Er setzte sich neben Boabdil an die Spitze des Zuges und führte ihn auf versteckten Wegen zur kastilischen Grenze. Kein christlicher Späher bekam sie zu sehen, und als sie in den ersten kastilischen Ort einfielen, waren dessen Bewohner so überrascht, dass ihnen kaum Zeit blieb, nach den Schwertern zu greifen. In wenigen Stunden hatten die Mauren sie überwältigt. Nur diejenigen, die sich gegen eine Gefangennahme wehrten, stachen sie nieder. Hernach befahl Boabdil seinen Soldaten, die Häuser zu plündern, die Felder zu verwüsten und die Schafs- und Ziegenherden zusammenzutreiben. Johlend machten sich die Soldaten an ihr Werk. Auch in den nächsten Orten war der Widerstand, auf den sie trafen, gering. Bald dachte auch der Furchtsamste unter ihnen nicht mehr an das schlechte Omen bei ihrem Auszug.
    Drei Tage später erreichten sie Lucena. Die Soldaten fieberten vor Kampfeslust, so dass Boabdil in Absprache mit Raschid und Ali al-Attar beschloss, die Stadt

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