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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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anderen Male hatte Zahra ihre Brust fest umwickelt und an den Körper geschnürt, da sie mit einer solchen Leibesvisitation gerechnet hatte. Dennoch war ihr das grobe Abtasten des Wachsoldaten zuwider und rief in ihr einen schrecklichen Moment lang die Erinnerung an Ibrahim wach. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie Zainab das Leben mit ihm ertrug. Bisher hatte ihre Schwester alle ihre Briefe unbeantwortet gelassen und schrieb auch ihrem Vater selten mehr als ein paar nichtssagende Zeilen. Zu gerne hätte Zahra geglaubt, dass ihre Schwester mit ihrem neuen Leben ausgefüllt und zufrieden war und ihr deshalb der Sinn für lange Briefe nach Hause fehlte. Aber sie fürchtete, dass der Grund ein anderer war.
    Der Wachsoldat beendete die Leibesvisitation und ließ sie von einem Soldaten in die Eingangshalle führen. »Wartet hier«, brummte er und verließ sie.
    Mehr als eine Stunde später führte sie ein junger Bursche nach oben, wo sie Gonzalo vor dem Besprechungszimmer erwartete. Als sie allein waren, erklärte er ihnen, dass die christlichen Könige hier seien und bereit wären, ihnen Gehör zu schenken. Flüsternd fügte er hinzu, dass sie sich vor dem Dominikanermönch in Acht nehmen sollten, und öffnete die Tür.
    Zahra hatte schon viel von der kastilischen Königin gehört. Die einen beschrieben sie als stolze, emotionslose Herrscherin, andere hoben hervor, dass sie eine überaus fromme und strenggläubige Frau, gütige und geduldige Mutter und ihrem Mann treu ergebene Ehefrau sei. Als sie eintraten, stand Isabel hoch aufgerichtet am Fenstersims; ihr meergrünes Kleid verlieh ihren blaugrünen Augen eine besondere Intensität, aber Zahra fand keine Wärme, sondern nur kühle Ablehnung in ihnen. Sie war verwundert, wie jung Isabel war, weit jünger jedenfalls als Aischa, sicher kaum älter als dreißig, ohne dieser jedoch an Erhabenheit nachzustehen. Zahra wusste, dass auch sie sich ihren Weg auf den Thron hart hatte erkämpfen müssen, und empfand sie als so majestätisch und achtungsgebietend, dass sie unwillkürlich in einen tiefen Knicks versinken wollte, wie er – das wusste sie von ihrer Mutter – bei den Kastiliern üblich war. Im gleichen Moment jedoch versetzte Ismail ihr einen unsanften Rippenstoß, woraufhin Zahra ihre männliche Kleidung einfiel und sie den Knicks in eine etwas schief geratene Verbeugung umwandelte.
    Als sie sich wieder aufrichtete, spürte sie Gonzalos Blick auf sich, konnte von seiner Miene aber nicht ablesen, ob er mittlerweile ahnte, wer sie in Wahrheit war. Auch vor Fernando, der etwas abseits in einem tiefen Sessel saß, verbeugten sich Zahra und Ismail, danach erwiesen sie Don Diego und dem Dominikanermönch ihre Hochachtung. Ein Blick in die tiefschwarzen, vor Fanatismus glühenden Augen genügte Zahra, um zu wissen, dass Gonzalos Warnung vor ihm sehr ernst zu nehmen war.
    Isabel ließ sich auf dem Stuhl am Kopfende des Tisches nieder und erlaubte Zahra und Ismail, sich ebenfalls zu setzen. Wiederum wählten Zahra und Ismail Plätze am unteren Ende, die Berater der Königin saßen zu deren Rechter und Linker, Gonzalo setzte sich zwischen die beiden Parteien und hatte so zu beiden Seiten zwei freie Stühle.
    »Euer Angebot wurde uns bereits übermittelt«, sagte Isabel und kam damit ohne Überleitung zum Thema.
    »Dann bleibt uns nichts, als zu versichern, dass die Sultanin weiter zu ihrem Angebot steht«, erwiderte Zahra und bemühte sich, Isabels eindringlichem Blick standzuhalten.
    »Ich nehme an, Euch ist bekannt, dass uns inzwischen ein zweites Angebot vorliegt«, erwiderte Isabel.
    Ihre Worte brachten Zahra für einen Moment aus der Fassung, und sie geriet beim Übersetzen ins Stottern. Ohne Gefühlsregung fragte Ismail zurück: »Und von wem stammt dieses Angebot?«
    »Scheinbar sehnen sich beide Elternteile nach ihrem Sohn«, gab Isabel mit spöttischem Lächeln zurück.
    Ismail nickte. Diese Antwort bestätigte seine Befürchtungen. Isabel fuhr fort: »Wie es aussieht, sind deren Beweggründe allerdings verschieden. Immerhin würde Hassan uns das Lösegeld auch dann zahlen, wenn wir ihm nur Boabdils Kopf schicken. Er bezeichnet ihn als falschen Emir, Aufständischen und Verräter. Und die Köpfe der Leibwächter wären ihm ebenfalls eine ansehnliche Prämie wert. Überdies bietet er an, eine stattliche Anzahl unserer Landsleute freizulassen, die teilweise schon seit Jahren in seinen Kerkern einsitzen.«
    »Und nur das darf uns leiten!«, warf Torquemada mit

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