Die Maurin
musterte ihn und fragte sich, was wirklich hinter dieser Antwort steckte, nickte aber. »Sicher, warum nicht? Ich werde es meinem Onkel ausrichten.«
Dann stiegen die maurischen Gesandten auf ihre Pferde und verschwanden in der Nacht. Erst Tage später erfuhr man in Baena, dass Hassan Granada zurückerobert hatte und Aischa mit ihren Getreuen in den Albaicín hatte flüchten müssen und versuchte, von dort aus für ihren Sohn dessen Regentschaft fortzuführen. Bisher schien Hassan sie unbehelligt walten zu lassen, aber man munkelte, dass er schon Pläne habe, wie er ihrer habhaft werden könne. Nun verstand Gonzalo besser, wieso Boabdil über die Neuigkeiten über seine Mutter und seine Frau ebenso erleichtert wie erschrocken gewesen war, aber er ahnte, dass er nicht hinter all ihre Geheimnisse gekommen war. Dieser Taufiq … Wer war er, und woher kannte er ihn? Er wusste, dass er erst wieder ruhig würde schlafen können, wenn er die Antworten auf diese Fragen gefunden hatte.
16.
Baena
2 . Mai 1483
D reimal waren Zahra und Ismail in den vergangenen Wochen schon nach Baena geritten und jedes Mal am Tor mit der Begründung abgewiesen worden, dass man noch keine Nachrichten von den christlichen Königen habe und sie in ein paar Tagen wiederkommen sollten. Während Ismail die Nachrichten mit Gleichmut aufnahm und Zahra erklärte, dass Allah den Gang aller Dinge regele, hatte Zahra bei der letzten Absage Mühe, die Tränen zurückzuhalten, zumal sie wiederum nichts über ihren Bruder hatte erfahren können. Zwar hatte sie aus Boabdils Nicken geschlossen, dass es ihm den Umständen entsprechend gutging, aber dies lag nun drei Wochen zurück, und nicht nur Zahra, sondern auch Deborah war allmählich krank vor Sorge.
Zahra hatte außerdem das Wiedersehen mit Gonzalo aufgewühlt. Die Tage in Loja standen wieder vor ihrem inneren Auge, und sie bedauerte, dass es ihr ihre Rolle als Taufiq unmöglich machte, sich ihm zu erkennen zu geben – obwohl sie sich zugleich sagte, dass auch dies nichts ändern würde. Schließlich war er verheiratet. Zumindest aber hätte sie ihn nach Hayat und Miguel fragen können. Vor vier Monaten hatte Amina einen Brief erhalten, in dem ein knappes: »Sag Z. es geht uns gut. H.« gestanden hatte. Dies war bisher das einzige Lebenszeichen ihrer Halbschwester. Und auch nach Jaime hätte sie Gonzalo zu gern gefragt und ob er die Schlacht von Axarquía überlebt hatte. Dieser Jaime, der die Mauren so hasste – und der doch diese eigenartige Anziehung auf sie ausgeübt hatte und sie seither in ihren Gedanken verfolgte …
Auch heute ritten Ismail und Zahra wieder gen Baena, und ihnen war nicht nur aus Furcht vor einer erneuten Absage der Wachsoldaten beklommen zumute, sondern auch wegen der neusten Ereignisse in Granada. Hassan hatte seine Position weiter festigen können und tat sein Möglichstes, um Boabdils Ansehen im Volk herabzusetzen. Er verspottete dessen Fähigkeiten als Führer, nannte ihn einen hasenfüßigen Soldaten und erklärte dem Volk, dass nun endlich die Verheißung erfüllt sei, die bei Boabdils Geburt ausgesprochen worden war:
»Er wurde auf den Thron erhoben, wie die Astrologen es prophezeit haben, und hat mit seiner Niederlage und Gefangennahme Schande über unser Reich gebracht, aber jetzt ist der Unglückstag vorbei, das Schicksal befriedigt, das Zepter unter Boabdils schwachen Händen zerbrochen – und unser Reich besteht dennoch weiter. Ich habe das Zepter in meine starken Hände zurückgeholt und werde unser Land zu neuer Macht und Herrlichkeit zurückführen!«
[4]
Da Hassan überdies zwei weitere Siege über die Christen hatte erringen können, schenkte ihm das Volk Glauben und jubelte ihm in großen Teilen zu. Noch aber wagte er es nicht, so unerbittlich gegen die Verbündeten seines Sohnes vorzugehen, wie es jeder befürchtet hatte. Nur zehn der engsten Mitstreiter Boabdils hatte er köpfen lassen, ein Dutzend gefangen genommen. Da die Sulamis unter dem Schutz von Aischas Familie standen, deren Macht Hassan noch fürchtete, hatte er bisher auch sie verschont.
»Ob wir heute wieder ohne Nachrichten abgewiesen werden?«, seufzte Ismail und riss Zahra damit aus ihren Gedanken. Sie sah auf und nahm erst jetzt wahr, dass sie die Burg schon erreicht hatten. Zu ihrer Erleichterung nickte einer der Wachleute ihnen zu. »Heute kann ich Euch vorlassen. Steigt ab, damit wir Euch nach Waffen durchsuchen können!«
Ismail und Zahra stiegen von ihren Pferden. Wie die
Weitere Kostenlose Bücher