Die Maurin
Familienzusammenführung, sondern um das Wohl unseres Landes!«
»Das weiß ich selbst, Onkel, aber es kann trotzdem nicht schaden, bei alldem auch noch Mensch zu bleiben.«
Don Diego hob geringschätzig die rechte Augenbraue.
»Außerdem könnte es uns auch politisch zum Vorteil gereichen, wenn wir ein gewisses Entgegenkommen zeigen würden«, fuhr Gonzalo unbeirrt fort. »Wir sind Boabdil und seinen Anhängern gegenüber derzeit eindeutig in der Position der Stärkeren – aber es gibt auch noch Hassan und az-Zagal, und wie schlagkräftig die nach wie vor sind, haben wir gerade erst in Axarquía erlebt. Vielleicht sind wir noch einmal froh, wenn Boabdil uns einen Gefallen schuldet!«
»Und wenn die drei irgendwelche konspirativen Absprachen treffen?«
»Ich verspreche dir, ihnen nicht von der Seite zu weichen, und sobald sie Themen anschneiden, die mir gegen unser Interesse zu gehen scheinen, beende ich ihr Gespräch!« Er sah seinen Onkel eindringlich an. »Gewähre ihnen wenigstens einen Moment!«
Don Diego machte eine unwillige Handbewegung und trat ans Fenster. »Aber wenn die Könige davon erfahren – ich habe meine Einwilligung dazu nicht gegeben.«
»Danke, Onkel!«, rief Gonzalo und eilte nach unten ins Speisezimmer. Er nahm den beiden das Versprechen ab, dass sie Boabdil nichts von dem Angebot seiner Mutter erzählen und ihn auch nicht über die Ereignisse in ihrem Land informieren würden, und brachte sie zu dem Gefangenen.
Die Freude, die in Boabdils Gesicht aufstrahlte, entlohnte Gonzalo in jeder Hinsicht für den Missmut, den er wegen dieses Unterfangens von seinem Onkel auf sich gezogen hatte. Boabdil und Ismail fielen sich in die Arme, und Gonzalo bemerkte die Freudentränen in ihren Augen. Anschließend stellte Ismail Boabdil seinen Dolmetscher vor.
»Das ist Kafurs Sohn Taufiq!«
Gonzalo meinte eine gewisse Nachdrücklichkeit im Blick Ismails zu erkennen, die ihn verunsicherte. In der Tat schien Boabdil den Dolmetscher nicht zu kennen, und erst als Ismail hinzufügte: »Aber du wirst dich doch an Kafur und seinen Sohn und den schönen Reitausflug erinnern, den ihr einmal gemacht habt!«, traten Erkennen und eine gewisse Belustigung in Boabdils Augen. Gonzalo blickte zu dem Dolmetscher, der Boabdil mit einem hellen Strahlen ansah, und war sich plötzlich sicher, diesen Taufiq auch schon einmal gesehen zu haben, kam aber nicht darauf, bei welcher Gelegenheit. Er fragte sich, was für ein Spiel die drei hier spielten. Irgendetwas war faul, dessen war er sich sicher. Mit einem Mal hatte er es sehr eilig, die beiden wieder hinauszubringen.
»Ihr habt Euch nun ja vergewissern können, dass es Eurem Emir bei uns an nichts fehlt«, wandte er sich an Ismail und machte eine unmissverständliche Handbewegung zur Tür hin.
»Nur noch einen Moment«, bat dieser inständig.
Unwillig gab Gonzalo nach. »Aber wirklich nur einen Moment!«
Er hörte, wie sich die beiden erkundigten, ob es Boabdil gutgehe. Boabdil versicherte ihnen, dass er zuvorkommend behandelt werde. »Ich hoffe, meine Mutter und Morayma sind wohlauf?«
Ismail nickte. »Sie erfreuen sich beide bester Gesundheit, und Eure Frau fühlt sich täglich wohler im Albaicín!«
Gonzalo beobachtete, dass diese Nachricht Boabdil mit ebenso viel Erleichterung wie Unruhe erfüllte, konnte aber nicht nachvollziehen, hinter welchen Worten der schlechte Teil der Nachricht versteckt gewesen war.
»Und Raschid?«, hörte er nun diesen Taufiq leise fragen. Gonzalo erinnerte sich, dass einer der Leibwächter so hieß. Entschlossen trat er zwischen sie. »Gespräche über die Leibwächter kann ich leider nicht gestatten.«
Als er sah, dass Boabdil Taufiq verstohlen zunickte, wurde ihm das Ganze zu brenzlig. Kurzerhand schob er die Besucher zur Tür hinaus und ärgerte sich, weil ihm klar war, dass die drei durch diese wenigen Sätze weit mehr erfahren hatten, als er herauszuhören in der Lage gewesen war.
Er begleitete die beiden Mauren zurück zum Eingangstor, wo ihre Eskorte auf sie wartete.
»Wann können wir nachfragen, ob unser Angebot bei den christlichen Königen auf Interesse gestoßen ist?«, fragte ihn der Dolmetscher am Tor.
»Ich nehme an, man wird Euch einen Boten in die Alhambra schicken.« Gonzalo sah, wie der Dolmetscher und Ismail einen Blick wechselten.
»Wegen der Gefahr, dass der Bote abgefangen werden könnte, würden wir es vorziehen, in ein paar Tagen selbst noch einmal nachzufragen«, meinte Ismail.
Gonzalo
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