Die Maurin
wollte, einen Mann, der Gefühle in ihr geweckt hatte, von denen sie nicht gewusst hatte, dass es sie gab …
3.
Córdoba
15 . November 1484
N achdem Torquemada von seiner Reise zurückgekehrt war, kümmerte er sich mehr denn je um Zahras Schützling. Jedes Mal wenn er seine langen, dürren Finger nach dem Kind ausstreckte, schnürte es Zahra das Herz ab. Für Ahmed aber war Torquemada der »Onkel Mada«, der mit ihm durch die Stadt streifte, der ihn auf Pferden aufsitzen ließ und ihn in die imposante Kathedrale mitnahm, wohingegen Zahra zu Ahmeds Zerstreuung nicht mehr als der Park blieb. Eines Tages schenkte der Dominikanermönch Ahmed christliche Kleider, die den Knaben so sehr begeisterten, dass er sich fortan strikt weigerte, weiter eine maurische Tunika und Pluderhosen zu tragen. Auch für Zahra ließ der Mönch Kleider bringen. »Es ist eine Zumutung, dass noch niemand daran gedacht hat, Euch von diesen Heidenkleidern zu erlösen«, erklärte er Zahra mit süßlichem Lächeln. »Immerhin war zumindest Eure Mutter Kastilierin, die Ärmste ist ja nur durch den Krieg in die Gewalt der Mauren geraten. Es wird Euch gewiss freuen, dass Ihr ihrem Andenken nicht weiter diese Schmach antun müsst, sondern Euch nun wie ein ordentlicher Christenmensch kleiden könnt!«
Am liebsten hätte Zahra Torquemada die Kleider vor die Füße geschleudert, aber sie sah an seinem lauernden Blick, dass er auf eine solch unbedachte Reaktion von ihr wartete. Also bedankte sie sich stattdessen ehrerbietig für seine Großzügigkeit und sein Feingefühl, konnte es sich aber doch nicht verkneifen, ihm zu erklären, dass sie unter ihren maurischen Kleidern keineswegs litt, sondern sie mit Wohlbehagen und Stolz trage. Sofort verfinsterte sich Torquemadas Miene. »Stolz?«, krächzte er. »Und worauf seid Ihr stolz? Auf Euer Heidentum etwa? Auf Eure Abstammung von gottlosen Wilden?«
Zahra hielt seinem Blick stand und erwiderte so kühl und gelassen, wie es ihr eben möglich war: »Ich denke nicht, dass uns diese Debatte weiterbringen würde.«
»Und sie ist auch nicht nötig.« Torquemadas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Die Königin hat nämlich angeordnet, dass Ihr Euch in Euren heidnischen Gewändern nicht mehr außerhalb Eures Zimmers zeigen dürft.«
Zahra blickte zu Ahmed. Sie wusste, dass er nicht verstehen würde, wenn sie mit ihm noch nicht einmal mehr in seinen heißgeliebten Park gehen würde, und als sie wieder zu Torquemada blickte, sah sie ihm an, dass auch er das wusste – und dass genau dies seine Absicht gewesen war.
Die ganze Nacht ging Zahra in ihrem Zimmer auf und ab und hätte beim Anblick der christlichen Kleider mit ihren nur mäßig durch Tüll verhüllten Dekolletés laut aufschreien mögen. Der Prophet verbot es Frauen, sich zu dekolletieren oder Kleider zu tragen, welche die weibliche Figur so betonten wie diese hier, die sich eng an Brustkorb und Taille anschmiegten, und ebenso verstieß es gegen seine Gesetze, als Kopfbedeckung lediglich so ein lächerliches Häubchen zu tragen, aus dem ihr dickes, langes Haar an allen Seiten herausquellen würde. Gonzalo, stöhnte Zahra. Warum seid Ihr jetzt nicht da, um mir zu raten und beizustehen? Ich kann doch nicht diese Kleider tragen, aber wenn ich es nicht tue, werde ich mir noch mehr den Unwillen der Königin zuziehen! Flüchtig dachte sie auch an Jaime, aber dieser Gedanke löste mehr Schmerz als Hoffnung in ihr aus, so dass sie ihn gleich wieder verwarf. Nicht ein einziges Mal hatte sie ihn seit jener Nacht wiedergesehen, noch auch nur eine Nachricht von ihm erhalten.
Da Ahmed Zahra mehr alles andere am Herzen lag, betete sie, dass Allah ihre Zwangslage verstehen würde, und zog am nächsten Morgen eines der Kleider an. Sie wählte das nachtblaue Samtkleid, das ihr wie auf den Leib geschneidert war. Zu ihrem Erstaunen stimmten sowohl die Länge als auch die in ihren Augen skandalös betonte Taille und das Brustteil. Immerhin war der Tüllstoff über dem Dekolleté etwas dichter als bei den anderen Kleidern. Kurz nach dem Mittagessen betrat Torquemada ihr Zimmer und zeigte angesichts von Zahras Bekleidung höchste Zufriedenheit.
»Ich wusste, dass Ihr eine einsichtige Frau seid«, erklärte er ihr und erlaubte ihr zum ersten Mal, mit ihm und Ahmed mitzugehen. Zahra fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut, vor allem, als sie merkte, dass Torquemada in die Stadt ging. Sie hatte das Gefühl, dass alle Passanten sie anstarrten, und wäre vor
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