Die Maurin
Gift gäben, liefen sie Gefahr, auch Ahmed zu töten. Wie die meisten Kinder stibitzte auch er gern etwas von den Tellern der Erwachsenen. Aber warum sonst war ihr dauernd so schlecht?
»Vielleicht sollte ich Euch den Arzt schicken«, fuhr Torquemada fort.
»Nein danke, Vater, ich … Es wird schon gehen«, versicherte Zahra. »Und ich werde gewiss pünktlich mit Ahmed zu dem Festessen erscheinen!«
»Nun, dann werde ich Ahmed noch auf ein Stündchen mitnehmen, damit Ihr Euch ein wenig ausruhen könnt.«
»Das ist nicht nötig«, stotterte Zahra, doch Torquemada nahm Ahmed trotzdem an die Hand und verließ mit dem ihn anstrahlenden Knaben das Zimmer. Als die Tür hinter ihnen zufiel, sank Zahra auf ihr Bett und weinte.
Trotz des Ruhens war es Zahra weiter hundeelend, weswegen sie ihre und Ahmeds Teilnahme an dem Essen am liebsten doch abgesagt hätte. Doch der Junge war ganz versessen auf das Festessen, da Torquemada ihm vorgeschwärmt hatte, welch heldenhafte christliche Ritter er dort kennenlernen könne.
»Ahmed auch Ritter. Und Mauren totmachen!«, erklärte er in dem seltsamen spanisch-maurischen Gemisch, das er in letzter Zeit sprach, und drängte sie, möglichst rasch aufzubrechen. Notgedrungen wechselte Zahra ihre Tunika gegen das nachtblaue Kleid, welches das einzige der von Torquemada zur Verfügung gestellten Kleider war, das sie zu tragen wagte, und fragte sich verzweifelt, wie sie Ahmed begreiflich machen könne, dass die Mauren seine eigenen Landsleute waren und er, als ihr künftiger Emir, ihnen kaum den Tod wünschen könne – ohne dass der Knabe dies an Torquemada weitergab.
Im großen Festsaal war für über hundert Menschen gedeckt, und ein Großteil der Plätze war bereits besetzt. Zahra schwindelte, und sie sagte sich, dass bei so vielen Gästen keinem auffallen werde, ob sie wirklich kämen, und wollte sich mit Ahmed zurückziehen, doch der Knabe zog sie beharrlich weiter. Schon wurde ein Diener auf sie aufmerksam und führte sie zu ihrem Tisch. Außer Torquemada entdeckte sie kein bekanntes Gesicht. Der Dominikanermönch nickte ihnen mit huldvollem Lächeln zu.
»Onkel Mada!«, schrie Ahmed begeistert und sprang auf. Zahra zog ihn zurück auf seinen Stuhl und flüsterte streng, dass sie sofort zurück aufs Zimmer gehen würden, wenn er sich noch ein einziges Mal erhob. Ahmed sah sie erschrocken an. Scharfe Töne war er von ihr nicht gewohnt.
Kurz darauf bemerkte Zahra einen weiteren Nachzügler.
»Miguel …«, hauchte sie, doch sie wagte nicht, zu ihm hinzugehen oder sich bemerkbar zu machen. Endlich blickte Miguel zu ihr, erkannte sie aber erst auf den zweiten Blick. Wärme glomm in seinen Augen auf. Er nickte ihr kaum merklich zu und folgte dem Diener zu seinem Platz.
Zahra deutete sein Nicken so, dass es ihrer Halbschwester gutging. Erleichterung durchströmte sie. Sie drückte Ahmeds Hand und küsste ihn auf seine Locken. Verwundert sah Ahmed zu ihr hoch. Eben warst du doch noch böse auf mich, sagte sein Blick.
»Das musst du nicht verstehen, mein Kleiner«, flüsterte Zahra ihm zu und strich ihm über die Wange. Als er ihren Stimmungswandel nutzen wollte, um sich nun doch zu Torquemada davonzumachen, schnappte sie ihn am Kragen seines neuen Wamses, zog ihn wieder auf seinen Stuhl und schüttelte den Kopf. Ahmed zog einen Schmollmund, blieb aber sitzen.
Eine Fanfare und ein Ausrufer kündeten das Eintreffen des Königspaars an. Isabel trug ein himmelblaues, mit Hunderten von Perlen besticktes Kleid, das sie noch majestätischer wirken ließ. An der Seite ihres Gemahls sprach sie den tapferen Rittern ihr höchstes königliches Lob für die erfolgreiche Rückeroberung Zaharas aus. Erst bei der Nennung des Stadtnamens begann Zahra auf ihre Worte zu achten, und als sie Isabels weiterer Rede entnahm, welche verheerenden Verluste die christlichen Soldaten ihren Landsleuten zugefügt und wie viele Gefangene sie gemacht hatten, wich Zahra alles Blut aus dem Gesicht. Sie merkte, dass Torquemada lauernd seinen Blick auf sie richtete, und rang um Fassung, während Isabel weiter den Heldentaten ihrer hehren Ritter huldigte.
Nach ihrer Dankesrede wurde das Essen aufgetragen. Der erste Gang, Gazpacho – eine kalte Suppe aus ungekochtem, mit dem Mörser zerkleinerten Gemüse – brachte Zahra wieder einmal in Erinnerung, wie viel die Kastilier, die doch ständig auf die Araber herabsahen, über die Jahrhunderte von ihren Landsleuten übernommen hatten. Nicht nur, dass sie ihre
Weitere Kostenlose Bücher