Die Maurin
Sie dachte an nichts, fühlte sich rundum geborgen und wünschte sich, dass dieser Moment nie verging.
Irgendwann nickte sie über diesem rauschartigen Wohlgefühl ein, spürte aber trotzdem, wie er neben sie glitt, sein Bein und seinen Arm über sie breitete und sie eng an sich zog. Als Ahmed ihren Namen rief, schreckte Zahra hoch und wusste im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht, stellte fest, dass sie nackt war, und spürte ein heftiges Sehnen in sich. Sie sah sich im Zimmer um. Jaime war weg. Es wunderte sie nicht. Und es verletzte sie auch nicht. Es war gut so gewesen, wie es war, und über das Weitere dachte sie nicht nach. Dazu schwebte sie noch zu hoch auf dieser Wolke, zu der er sie mitgenommen hatte. Als Ahmed ihren Namen erneut rief, zog sie sich ihr Nachthemd über und erhob sich. Dabei fiel ihr Blick auf den Flecken getrockneten Blutes auf ihrem Laken. Rasch schlug sie die Zudecke darüber. Später würde sie sicher Gelegenheit haben, es auszuwaschen.
Ahmed empfing sie strahlend. Zahra zog ihn an sich und küsste ihn mit so viel zärtlichem Ungestüm, dass er schimpfte. Er liebte ihre Küsse, aber nicht so viele auf einmal. Außerdem wollte er spielen. »Ahmed Garten gehen!«, verlangte er.
Zahra nickte und zog ihn an.
Der Vormittag verging wie im Flug. Zahra schwebte noch immer zwischen Traum und Wirklichkeit. Ihre unbeschwerte Ausgelassenheit steckte Ahmed an, und schließlich lachten sie beide, ohne zu wissen, wieso. Nach dem Mittagessen legte sie den Jungen in sein Bettchen, kuschelte sich an ihn und schlief mit ihm. Als sie erwachte, glühte ihr Körper, und sie fragte sich zum ersten Mal, ob und wann sie Jaime wiedersehen würde. Später brachte sie Ahmed wieder in den Park, wo er sie mit Blumen schmücken wollte. Ihm zu Gefallen legte sich Zahra rücklings auf die Wiese. Voller Eifer begann Ahmed sein Werk: Er schob ihr eine tiefrote Hibiskusblüte in das Haar, das frech unter ihrem leicht zurückgerutschten Hidschab hervorlugte, und als ihn ihr Schleier beim Anlegen weiterer Blumen störte, nahm Zahra ihn ab, zumal sie ohnehin allein im Park waren. Begeistert pflückte Ahmed eine größere Anzahl Rosenblüten und verteilte sie wie Knöpfe auf Zahras Tunika und auf ihren Händen. Zahra ließ ihn gewähren und blickte traumverloren in den Himmel, als Gonzalos Gesicht über ihr auftauchte. Mit hingerissenem Blick sah er auf sie hinab. Erschrocken fuhr Zahra auf, so dass die Blüten von ihr herabpurzelten. Ahmed begann zu weinen. »Böse Zahra! Alles kaputt gemacht!«
Zahra kniete sich vor Ahmed und half ihm, die Blüten einzusammeln, womit sie zugleich auch vermeiden konnte, Gonzalo anzusehen. Es war ihr unangenehm, dass er sie so gesehen hatte. Nun erst merkte sie, dass sie beim Hochschnellen auch noch ihren Hidschab verloren hatte. Ehe sie dazu kam, ihn und den Schleier vom Boden aufzuheben, bückte sich Gonzalo und reichte ihr beides. Mit gesenktem Blick nahm Zahra die Sachen von ihm entgegen. »Ich hoffe, Ihr denkt jetzt nicht schlecht von mir.«
»Aber warum denn?« Er konnte noch immer nicht den Blick von ihr nehmen. »Ihr … Mein Gott, wisst Ihr eigentlich, wie wunderschön Ihr seid?«
In seine sonst so ruhigen, haselnussbraunen Augen trat etwas, das Zahra letzte Nacht auch in Jaimes Augen gesehen hatte. Hastig hüllte sie sich zumindest in ihren Hidschab.
»Ich …« Gonzalo räusperte sich. Zahra hatte das Gefühl, in etwas hineingezogen zu werden, das sie nicht wollte – oder zumindest nicht mehr wollte, ohne sich in diesem Moment Rechenschaft darüber geben zu wollen, warum sie ihre Ansicht geändert hatte, zumal die Antwort ohnehin in ihrem Herzen stand. Verzweifelt suchte sie nach einem unverfänglichen Thema. »Torquemada ist abgereist«, hob sie an, »aber er wird bald wiederkommen und will den Jungen in Zukunft noch mehr unter seine Fittiche nehmen.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte Gonzalo mit belegter Stimme, und als Zahra kurz aufblickte, sah sie, dass er noch immer mit diesem entrückten, geradezu trunkenen Blick an ihr hing. Ein Ruck durchfuhr ihn, er strich sich über das Kinn und räusperte sich: »Ja, genau, Torquemada. Seinetwegen habe ich Euch auch gesucht. Zufällig habe ich heute früh ein Gespräch mitbekommen, aus dem hervorging, dass er Euch vom Hof entfernen lassen will. Er ist der Ansicht, dass Ihr einen schlechten, weil maurisch-heidnischen Einfluss auf Ahmed habt, und sucht nach einem Vorwand, Euch die
Weitere Kostenlose Bücher