Die Maurin
Scham am liebsten im Erdboden versunken.
Mit großen Gesten wies der Pater sie auf die Veränderungen und Neuerungen hin, die in der Stadt seit der Vertreibung der Mauren vollzogen worden waren. Auch in die Kathedrale nahm er Zahra mit, weil er ihr zeigen wollte, in welch prächtigem Tempel sein Gott wohnte. Zu Maurenzeiten war die Kathedrale eine Mezquita, eine Moschee, gewesen, aber nach der Rückeroberung Córdobas von Fernando III . zur Kirche geweiht und von den folgenden Königen immer weiter zur Kathedrale umgebaut worden. Zahra konnte all diese Neuerungen nur bedauerlich finden, behielt dies aber für sich.
»Ich denke, wir sollten auch Euch den Katechismus nahebringen«, sagte er auf dem Rückweg zu ihr. »Wie sonst könnt Ihr Eurem Schützling Vorbild und Anleitung sein?«
Zahra dachte an Gonzalos Warnung und versicherte ihm, dass sie gern an einem solchen Unterricht teilnähme, und es gelang ihr sogar, beinahe ebenso zuckersüß zu lächeln wie er.
Am nächsten Morgen erschien ein Pater in Zahras Zimmer, der sich als ihr Katechismuslehrer vorstellte. Er kam kurz vor acht Uhr, einer Uhrzeit, zu der sich Zahra für ihr zweites Morgengebet, das
shuruk,
vorbereitete. Mit angewiderter Miene blickte der kleine dicke Mann auf Zahras Gebetsteppich und erklärte ihr, dass er Besseres für ihr Seelenheil zu bieten habe. Notgedrungen nahm Zahra Ahmed an die Hand und folgte ihm.
Über eine Stunde lang las er mit ihr in der Bibel und kündigte an, dass er sie am Abend gegen sechs Uhr wieder abholen werde – zu einer Uhrzeit, zu der Zahra das
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hätte sprechen müssen. Das listige Funkeln in seinen Augen verriet ihr, dass ihm dies wohl bewusst war.
Als sie sich am nächsten Morgen erhob, war ihr speiübel, so dass sie sich gleich wieder hinlegen musste. Sie überlegte, ob sie etwas Falsches gegessen hatte, und wartete, bis der Druck in ihrem Magen nachließ. Auch beim zweiten Versuch aufzustehen wurde ihr schlecht, und sie gelangte gerade noch bis zur Waschschüssel, bevor sie sich übergab. Matt wankte sie zu ihrem Bett zurück. Ein wenig elend war ihr immer noch, aber ihr schien es unklug, dem Pater davon zu berichten. Dieser hätte es ihr gewiss als Weigerung ausgelegt, an seinem Unterricht teilzunehmen. Sie atmete tief durch, und tatsächlich flaute die Übelkeit nach und nach ab, so dass sie sich und Ahmed noch vor Ankunft des Paters fertig machen konnte. Auch an den folgenden Vormittagen war ihr übel, und so fiel es ihr von Tag zu Tag schwerer, pünktlich für den Katechismusunterricht bereit zu sein.
Als es an diesem Morgen an der Tür klopfte, war Zahra noch über die Schüssel gebeugt und hatte allmählich das Gefühl, gleich auch noch ihren Magen selbst mit hervorzuwürgen.
»Einen Moment bitte«, presste sie hervor.
Endlich ließ der Brechreiz nach. Sie spülte sich den Mund aus und öffnete mit aschfahler Haut die Tür. Der Miene des Paters war anzusehen, dass er mitbekommen hatte, warum Zahra ihm nicht sofort geöffnet hatte.
»Ich hoffe nur, dass es nicht die Aussicht auf meinen Katechismusunterricht ist, die Euch so elend macht«, meinte er pikiert.
Hastig behauptete Zahra, dass dies keineswegs der Fall sei, sondern sie generell zu Magenverstimmungen neige, und unterdrückte mit aller Macht einen neuerlichen Würgereiz. Als wolle sich ihr Körper dafür rächen, wichen die Übelkeit und der Schwindel hernach den ganzen Tag nicht mehr von ihr, so dass sie erschrak, als ihr Torquemada nachmittags mitteilte, dass man sie und Ahmed am Abend bei einem Festessen der Könige erwarte. »Ihr werdet vielleicht schon gehört haben, dass unsere Truppen in Eurem Land erneut höchst erfolgreich gewesen sind!«
Davon wusste Zahra nichts, aber ihr war so elend, dass sie nicht die Kraft fand nachzufragen. Sie versicherte matt, dass sie gerne kämen, und bemühte sich, den zappeligen Ahmed fertig anzuziehen, damit Torquemada ihn mitnehmen und sie sich endlich wieder hinlegen konnte.
Am frühen Abend kehrte Torquemada mit Ahmed zurück. Hastig erhob sich Zahra von ihrem Bett und litt sofort unter einem weiteren Anfall von Übelkeit.
»Ihr seht nicht wohl aus«, meinte Torquemada, und seine Stimme hatte einen mitleidigen Klang, doch die in seinen Augen aufblitzende Schadenfreude sprach eine andere Sprache. Zahra fragte sich, ob die Christen sie vergifteten. Jeden Tag eine kleine Prise ins Essen … Es wäre so einfach. Andererseits wusste sie, wie wertvoll Ahmed als Geisel war, und wenn sie in ihr Essen
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