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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Sorge für Ahmed zu entziehen.«
    »Aber in den Verträgen steht doch …«
    »Verträge sind leider oft nicht das Papier wert, auf dem sie stehen«, fiel Gonzalo ihr ins Wort und hatte sich nun wieder unter Kontrolle. Er sah zu Ahmed, der aufgehört hatte zu weinen, und auch wenn der Knabe nicht verstand, wovon sie redeten, blickte er doch so aufmerksam zwischen ihnen hin und her, als ahne er, dass es hier auch um sein Schicksal ging. Sein fragender Blick ließ Zahra das Herz schwer werden. So wenig ihr das Leben am kastilischen Hof behagte – noch weniger konnte sie sich vorstellen, Ahmed im Stich zu lassen. Sie hing an dem Jungen wie an ihrem eigenen kleinen Bruder.
    »Aber das können sie doch nicht machen. Ich bin Ahmeds einzige Vertraute!«, begehrte sie hilflos auf.
    »Noch tun sie es auch nicht, und wenn Ihr Euch in Acht nehmt, wird es hoffentlich auch nicht dazu kommen, aber bedenkt fortan bei all Euren Handlungen, auf welch wackligen Füßen Eure Fürsorge für Ahmed steht. Seid auf der Hut, wägt jedes Eurer Worte ab! Ahmed ist zwar noch klein, aber er könnte trotzdem etwas aufschnappen und im falschen Zusammenhang wiedergeben.« Gonzalo warf ihr einen eindringlichen Blick zu. Zahra musste an die vergangene Nacht denken. Mein Gott, wenn Ahmed aufgewacht und in ihr Zimmer getappt wäre!
    »Zahra, um Himmels willen, Ihr werdet ja ganz blass«, rief Gonzalo erschrocken.
    »Es geht schon wieder.« Zahra zwang sich, tief ein- und auszuatmen, und allmählich kehrte die Farbe in ihr Gesicht zurück. Sie dankte Gonzalo für seine Warnung. »Ich werde aufpassen!«
    »Bis zu Torquemadas Rückkehr wird sich Pater Francisco Ahmeds annehmen. Leider muss ich jetzt gehen. Die Königin erwartet mich. Auch meine Stellung ist derzeit nicht die beste. Ich tue also sicher gut daran, sie nicht noch dadurch zu verärgern, dass ich sie warten lasse, zumal ich … auch ein Anliegen habe, das ich ihr vorbringen will – und das kaum ihre Billigung finden wird.«
    Da er nichts weiter sagte, nahm Zahra an, dass dieses »Anliegen« nichts war, was er ihr anvertrauen wollte.
    »Plant die Königin weitere Kriegszüge in unser Gebiet?«
    Gonzalo nickte. »Das steht zu befürchten.«
    »Und Boabdil?«
    »Er hat mir geschrieben, schon vor Monaten, aber der Brief hat mich erst jetzt erreicht. Bei seiner Rückkehr haben ihn ein paar Getreue abgefangen, die ihn warnten, die Stadt durch eines der Haupttore zu betreten, weil ihm dort die Häscher seines Vaters auflauerten. Wie ein Dieb musste er sich im Schutz der Nacht durch eine enge Pforte im Albaicín in die Stadt stehlen, wo die einfachen Menschen ihm weiter treu ergeben sind. Während der nächsten Tage hat Aischa wannenweise Geld unter die Bürger der Stadt verteilen lassen und die Edelleute mit hohen Ämtern geködert, wenn sie sich wieder zu Boabdil bekennen würden. Daraufhin ist in der Stadt ein Bürgerkrieg ausgebrochen, der immer noch anhält. Unsere Spitzel haben berichtet, dass im
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aus Angst vor Plünderungen kein einziges Geschäft mehr geöffnet ist. Wer nicht kämpfend durch die Straßen zieht, hat sich in seinem Haus verbarrikadiert.«
    »Mein Gott, Boabdil ist nicht zu beneiden«, seufzte Zahra und hoffte, dass ihre Familie auf der Seidenfarm in Sicherheit war.
    »Wünschen wir uns für Boabdil und uns alle, dass er sich durchsetzen kann!«
    Zahra nickte Gonzalo zu. »Ich halte Euch besser nicht länger auf. Auch mir liegt nichts daran, die Königin noch mehr aufzubringen.«
    Gonzalo strich ihr über den Arm und sah sie bedeutungsschwer an. »Vielleicht gibt es da doch eine Lösung, zumindest für Euch, eine, an die Ihr vielleicht noch nie gedacht habt. Wünscht mir Glück, damit die Königin meinen Antrag unterstützt!«
    Er drehte sich um und eilte in den Palast.
    Nachdenklich blieb Zahra zurück. Ihre Seligkeit war unter Gonzalos Worten wie altbackenes Brot unter den Stiefeln marschierender Soldaten zerbröselt. Bruder Francisco heißt mein neuer Feind also, fasste sie für sich zusammen. Sie fragte sich, ob es nichts gab, womit sie das Vertrauen der Königin oder wenigstens eines ihrer Berater erlangen könnte, um ihre Stellung hier zu festigen, aber so ablehnend, wie ihr hier alle begegneten, war dies wohl ausgeschlossen. Ihr fiel wieder ein, wie Gonzalo sie eben angesehen hatte. In Loja hätte sie alles für einen solchen Blick von ihm gegeben, und noch mehr für eine Zukunft mit ihm. Jetzt aber gab es einen anderen Mann, von dem sie so angesehen werden

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