Die Maurin
würdet?«
Gonzalo dachte an Zahra. Nach der letzten Nachricht seines Bruders konnte er sich keine Hoffnung mehr machen, sie wiederzufinden. Er nickte.
»Dann werde ich dies in meine Überlegungen einfließen lassen«, erklärte Isabel und bat Gonzalo, sich zurückzuziehen, weil sie sich von den Anstrengungen der letzten Monate erholen müsse.
Mit einem Steinchen ritzte Zahra einen Strich in das graue Mauerwerk des Kerkers. Anders als die anderen hier zählte sie jedoch nicht die Tage, die sie schon hier war, sondern die, die ihr noch bis zu dem Geburtstermin blieben, den Conchita nach ihren ebenso verschämten wie zögerlichen Angaben errechnet hatte. Etwa drei Wochen waren es nach dieser Rechnung noch bis zur Niederkunft, und wann immer Zahra daran dachte, dass man ihr das Kind nach der Geburt wegnehmen würde, hätte sie den Kopf gegen die Kerkermauer schlagen können. In der folgenden Nacht wurden die Bauchschmerzen, die Zahra schon den ganzen Tag über mit wachsender Verzweiflung zu ignorieren versucht hatte, zu immer heftigeren Krämpfen. Als die Schmerzen so heftig wurden, dass sie ihr Stöhnen nicht mehr unterdrücken konnte, wachte Conchita auf. Sie kroch zu ihr und tastete ihr den Bauch ab.
»Es geht los, meine Kleine«, sagte sie leise.
»Aber mir bleiben doch noch drei Wochen«, rief Zahra und ergriff flehend ihre Hand. »Bitte, Conchita, so tu doch etwas. Ich will mein Kind noch nicht hergeben!«
Conchita strich ihr mitfühlend über den Arm. »Du weißt, dass ich nichts machen kann. Die Natur geht ihre eigenen Wege, und jetzt lass uns zusehen, dass wir dein Baby heil auf die Welt bringen. Vielleicht können wir die Geburt sogar ein paar Tage vor den Wachen geheim halten, aber das wird nur gehen, wenn es dir gelingt, trotz der Schmerzen nicht zu schreien.«
Zahras Wehen nahmen schnell an Heftigkeit zu, und schließlich konnte sie einen Schrei nicht unterdrücken. Geistesgegenwärtig presste Conchita ihr die Hand auf den Mund. Zwei Frauen erwachten.
»Es ist nichts«, beruhigte Conchita sie. »Zahras Kind kommt.«
Die eine von ihnen rollte sich auf die andere Seite, die andere aber, die feingliedrige
conversa,
die Zahra inzwischen unter dem Namen Dolores kannte, rückte zu ihnen hin und machte aus ihrem Kopftuch einen Knebel, auf den Zahra beißen sollte, wenn die nächste Wehe kam. Zahra dankte ihr unter Tränen.
Auch etliche Stunden später hatte Zahras Kind trotz der in kürzesten Abständen aufeinander folgenden Wehen noch nicht das Licht der Welt erblickt, und nach jeder Schmerzenswelle sackte Zahra entkräfteter auf die Decken zurück, auf welche die Frauen sie gebettet hatten.
»Zahra, hör auf, dich gegen die Geburt zu sträuben, sonst sterbt ihr mir noch alle beide unter den Händen weg«, flehte Conchita. »Mein Gott, du kannst das Kind nicht länger in dir behalten, wenn die Natur es heraushaben will. Stell dir vor, wie schön es sein wird, dein Kind in den Armen zu halten – selbst wenn dir nicht mehr als das bleiben mag!«
Zahra nickte tapfer. Trotzdem verging eine weitere Stunde, bis Conchita ihr Kind endlich packen und herausziehen konnte. Noch immer war stockfinstere Nacht. Mangels anderer Hilfsmittel biss Conchita die Nabelschnur mit den Zähnen durch, hob das Baby an den Füßen in die Höhe und klatschte ihm auf den Po. Ein kleiner Schrei, kaum lauter als ein Maunzen, drang durch den Kerker. Conchita legte das Kind in Zahras Arme. Sie befühlte das Köpfchen, die kleinen Ärmchen und Beinchen und berührte dabei etwas, das ihr eindeutig verriet, dass sie einen Jungen geboren hatte. Sie presste ihren Sohn an sich und gab ihm den Namen Abdarrahman, auch wenn sie befürchtete, dass dies ihrem Vater nicht recht wäre. Ach Vater, seufzte sie, ich wünschte, du könntest mir verzeihen!
Die anderen Frauen traten zu ihr, um das Kind zu bewundern und im Arm zu wiegen. Conchita ließ sie eine Zeitlang gewähren, aber dann bestand sie darauf, dass der Kleine jetzt etwas essen müsse. Sie half Zahra, die richtige Position zu finden, und schon bald lauschten die Frauen verzückt auf das selige Schmatzen des Knaben.
»Vielleicht können wir den Wachen die Geburt des Jungen sogar noch länger als nur zwei, drei Tage verheimlichen«, meinte Dolores versonnen. »Wir könnten Zahras Kleid über dem Bauch mit Stoff aufpolstern und das Kind hinter uns verbergen, wenn die Wächter kommen.«
»Aber früher oder später werden sie ihn schreien hören«, wandte Conchita ein.
Doch die
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