Die Maurin
Frauen beschlossen, es zu wagen, und ehe Zahra sich versah, hatten sie mit ihren Unterröcken eine dicke Stoffkugel gezaubert. Als der Tag anbrach und das erste diffuse Licht zu ihnen in den Kerker kroch, schoben sie Zahra die Stoffkugel unter das Kleid und rückten so lange daran herum, bis es so aussah, als trüge Zahra noch immer ihr Kind unter dem Herzen. Zahra war so gerührt über ihre Bemühungen, dass sie kein Wort herausbrachte und nur mit einem dankbaren Strahlen zwischen ihnen hin und her sah. Später sammelten die Frauen einige der Stofftücher ein, welche die Wächter ihnen für ihre Regelblutung gaben, damit Zahra sie als Windeln für den kleinen Abdarrahman nutzen konnte. Kaum hatte Zahra den Kleinen in die Decke gewickelt, welche sie ihr ebenfalls zur Verfügung gestellt hatten, hörten sie den Wächter kommen. Hastig verzogen sich ein paar Frauen mit dem Kind in das hintere Teil des Verlieses, während Zahra mit Conchita in der Nähe des Eingangs blieb. Achtlos warf der stets übellaunige Mann ihnen den Korb mit Brot hin, stellte zwei große Karaffen Wasser dazu und schlurfte wieder davon.
»Es klappt«, jubelten die Frauen anschließend. »Er hat nichts gemerkt!«
Auch Zahra lächelte selig, als sie ihren Sohn entgegennahm. Einzig Conchita blieb skeptisch. »Irgendwann werden wir die Geburt nicht mehr verheimlichen können, und dann wird der Abschied von dem Kleinen nur noch schwerer fallen!«
Doch als der Wächter später noch einmal in den Kerker kam, um eine von ihnen zum Verhör zu holen, setzte sich auch Conchita schützend vor das Kind.
Der kleine Abdarrahman war ein stiller, vergnügter Junge. Er weinte selten, blickte einen zufrieden mit seinen großen, dunklen Augen an, wenn man ihn ansprach, und erfreute sich trotz der klammen Kälte in dem Kerker bester Gesundheit. Zahra nahm kaum je einmal die Augen von ihrem Sohn und lebte in ständiger Furcht vor dem Tag, an dem die Wächter auf ihr Kind aufmerksam werden würden. Da sich diese aber nie länger als unbedingt nötig bei ihnen aufhielten, verstrichen die nächsten beiden Tage, ohne dass die Geburt des Kindes auffiel. Am dritten Tag aber begann Zahra mittags zu fiebern. Bis zum Abend war ihre Stirn so heiß, dass Conchita den Wächter rufen wollte. »Wir müssen einen Bader kommen lassen«, brummte sie. »Sonst stirbst du uns weg, und dann hast du auch nichts mehr von deinem Kind.«
Zahra flehte sie an zu warten. »Ich erhole mich wieder, bestimmt!«, und auch die anderen Frauen baten Conchita: »Warte wenigstens bis morgen!« Denn auch sie dachten dabei vor allem an den kleinen Abdarrahman, den einzigen Lichtblick in ihrem düsteren Kerkerdasein. Zögernd gab Conchita nach. »Wir warten nur noch bis morgen früh. Wenn das Fieber dann nicht zurückgegangen ist, rufen wir den Bader!«
In der Nacht stieg Zahras Fieber so hoch, dass sie kaum noch ansprechbar war. Conchita legte ihr mit Trinkwasser angefeuchtete Tücher auf die Stirn und schimpfte, dass ihr keine Kräuter zur Verfügung standen, mit denen sie ihr helfen konnte. Auch am Morgen ging es Zahra nicht besser, und als der Wächter ihnen kurz nach Sonnenaufgang ihr Brot und frisches Wasser brachte, erhob sich Conchita trotz der bösen Blicke der anderen Frauen, um einen Bader zu verlangen. Als sie sah, dass es ein neuer Wächter war, zögerte sie kurz, trat dann aber doch auf ihn zu. »He, ich muss mit Euch reden«, rief sie.
Der Wächter wandte sich zu ihr um. »Was gibt’s denn?«
Seine sonore Stimme klang weniger unfreundlich als die des Wächters, der sie sonst mit Essen versorgte. Eine der anderen Frauen schob sich vor Conchita und stieß dieser mit dem Ellbogen in die Seite. »Gar nichts gibt’s. Conchita will sich nur mal wieder wichtig machen!«
Conchita versetzte der Frau ebenfalls einen Stoß, aber dann trat Dolores auf den Wächter zu. »Wir kennen uns doch, oder?«
Der Wächter hob seine Öllampe und leuchtete ihr ins Gesicht. »Dolores, um Himmels willen. Wie kommt Ihr denn hierher?«
Er stellte den Brotkorb ab, den er für die Frauen mitgebracht hatte, humpelte noch näher zu Dolores und schüttelte erschüttert den Kopf. »Dass sie sogar einen so guten Menschen wie Euch einsperren!«
Dolores sah zu Conchita. »Das ist Pedro«, erklärte sie ihr. »Er hat früher für meinen Vater gearbeitet.«
»Und Euren Alten Herrn immer hochgeschätzt!« Pedro war noch immer fassungslos. »Nein, dass Ihr hier seid, ein Mädchen aus so einer feinen Familie. Ach,
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