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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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meinetwegen …«
    Gonzalo blieb vor seinem Pferd stehen und hob, ohne sich umzudrehen, abwehrend die Hand. Zahra schluckte den Rest ihres Satzes herunter und blickte zu Jaime. Stöhnend setzte er sich auf und spuckte Blut in den Staub. Da er sie nicht ansah, wagte Zahra ihn nicht anzusprechen, obwohl es so vieles gab, was sie ihm zu sagen gehabt hätte.
    Da kam Gonzalo zurück. Er ging zu seinem Bruder und vermied es, in Zahras Richtung zu sehen. »Wirst du wenigstens jetzt so für sie sorgen, wie es sich gehört?«
    Jaime rappelte sich mühsam auf, wobei er sich beide Hände auf den rechten Brustkorb presste. »Du verdammter Idiot hast mir die Rippen gebrochen!«
    »Ich könnte dir noch viel mehr brechen, wenn ich nur sicher wäre, Zahra damit zu dienen!«
    »Natürlich werde ich mich um sie kümmern«, schnaufte Jaime und machte eine Kopfbewegung, als wolle er eine lästige Fliege fortscheuchen. Gonzalo ging zu seinem Pferd, saß auf und ritt davon, ohne sich noch einmal zu ihnen umzudrehen.
     
    Als die Äste hinter Gonzalo zusammenschlugen, ließ sich Jaime wieder zu Boden sinken und sah in die Richtung, in der sein Bruder verschwunden war. Die Stille zwischen ihm und Zahra begann drückend zu werden. Unsicher kaute Zahra auf den Lippen, und jedes Mal wenn sie zu Jaime hinübersah, fühlte sie sich so sehr zu ihm hingezogen, dass ihr ganz schwindlig davon wurde. Zugleich verspürte sie unendliche Angst. »Ihr müsst Euch nicht verpflichtet fühlen«, presste sie schließlich hervor. »Mir war in dieser Nacht sehr wohl bewusst, was ich tat. Ich bin Euch und Eurem Bruder dankbar, dass Ihr mich befreit habt. Damit habt Ihr mehr für mich getan, als ich verdiene.«
    Jaime räusperte sich und sah zu ihr. Ewigkeiten schienen zu vergehen, bis er endlich zu sprechen begann. »Zahra, ich verstehe, dass du von mir enttäuscht bist, aber lehne meine Hilfe nicht ab. Du bist krank, hast kein Geld, keinen Ort, an dem du dich verstecken kannst – und dann das Kind!«
    Zahra presste die Lippen zusammen. Ein Wort von Liebe hätte genügt, um all ihre Ängste und Vorbehalte zum Einstürzen zu bringen, aber ihre Mittellosigkeit, ihre Not – nein, das waren keine Argumente für sie. Und dass er von Abdarrahman, seinem eigenen Sohn, als »dem Kind« sprach, empfand sie als Ohrfeige. Sie erhob sich. »Ich komme zurecht.«
    »Aber ich kann dich doch nicht hier, mitten im Wald, deinem Schicksal überlassen!« Auch Jaime stand auf. Er presste die Hände auf seine schmerzenden Rippen.
    Zahra drückte Abdarrahman fester an sich und hoffte, dass ihre Beine sie wenigstens so weit tragen würden, bis sie aus Jaimes Blickfeld war. Wankend machte sie den ersten Schritt. Allah wird mich beschützen oder mich zu sich nehmen, dachte sie, und alles werde ich besser ertragen können, als dass sich Jaime meiner nur aus Mitleid annimmt.
    »Zahra, bitte, sei vernünftig!«, rief Jaime ihr nach.
    Zahra bahnte sich durch die belaubten Zweige zweier Korkeichen einen Weg in den Wald. Sie schleppte sich weiter, Schritt um Schritt. Auf einmal gaben ihre Beine nach. Ehe sie ganz das Bewusstsein verlor, spürte sie noch, wie zwei kräftige Männerarme sie und ihr Kind auffingen.

[home]
    Vierter Teil
    1485 – 1492
    1.
    In den Bergen von Córdoba
    2 . Oktober 1485
    F alten, unzählige kleine Falten und gütige, graue Augen, das war das Einzige, woran sich Zahra später erinnerte, und an den scheußlichen Geschmack eines lauwarmen Gebräus, das die Frau, zu der die Falten und die gütigen Augen gehörten, ihr wieder und wieder einflößte. Auch als sie das erste Mal ganz zu sich kam, saß die Alte an ihrem Bett.
    »Du hast Fieber gehabt, hohes Fieber«, erklärte sie ihr und strich ihr fürsorglich das Haar aus der Stirn. »Aber jetzt bist du über dem Berg!«
    »Mein Kind«, wisperte Zahra. »Wo ist mein Sohn?«
    »Bei seinem Vater«, erwiderte die Alte, und im gleichen Moment tauchte Jaime mit Abdarrahman auf dem Arm in der karg eingerichteten Hütte auf. Zahra sah zu ihm auf. Ihre Fragen auszusprechen wagte sie nicht. Die Alte erhob sich, nickte Zahra aufmunternd zu und verließ das Zimmer. Jaime trat näher, vermied es aber, sie anzusehen. Er bettete Abdarrahman von seinem rechten in den linken Arm, suchte sichtlich nach etwas, was er sagen könnte, beugte sich dann aber nur zu Zahra herab und legte ihr mit einer Behutsamkeit, die sie zutiefst berührte, ihren Sohn in den Arm. Die Nähe ihres Sohnes und die Erleichterung, ihn wohlbehalten bei sich zu

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