Die Maurin
konnten. Nach einem rauschenden Siegesfest in der Alhambra konnte sich Gonzalo guten Gewissens zurück nach Córdoba wenden.
7.
Córdoba
30 . September 1485
A ls sein Diener am Abend einen ärmlich gekleideten, hinkenden Mann in das Speisezimmer seiner kleinen Stadtwohnung in Córdoba führte, blickte Jaime unwillig auf. »Seit wann lässt du jedwedes Bettelvolk zu mir vor?«, fuhr er den jungen Burschen an.
»Es tut mir leid, Herr«, haspelte der Diener verlegen. »Aber der Mann hat sich nicht abweisen lassen. Er sagt, es sei dringend und dass er Euch vom Heer kennt …«
Jaime maß den späten Besucher mit grimmigem Blick, bis er in ihm den Koch erkannte, der sie früher auf so manchem Beutezug durch das Maurengebiet begleitet hatte und bei einem Maurenangriff schwer am Bein verletzt worden war. Ihm war das einzig gute Essen zu verdanken, das ihm bei der Truppe je in den Blechteller gekommen war. Jaime erhob sich und begrüßte den Koch mit einem herzlichen Schulterschlag. »Pedro, alter Junge, wie geht es dir?«
Der ehemalige Koch verneigte sich ehrerbietig. »Danke, gut, Herr. Ich habe ein neues Auskommen gefunden, auch wenn es nicht so einträglich wie das beim Heer ist. Übrigens muss ich Euch in der Tat in einer dringenden Angelegenheit sprechen.«
Er warf einen unsicheren Blick zu dem Diener. Jaime machte dem Burschen Zeichen zu verschwinden. »Und in Zukunft erwarte ich, dass du die Leute erst ankündigst, ehe du mit ihnen hereinplatzt!«
Der Diener errötete bis über beide Ohren und verließ unter Bücklingen den Raum. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, drehte Pedro verlegen seine Filzmütze in den Händen. »Es geht um eine junge Frau, Herr, die in dem Kerker sitzt, in dem ich seit ein paar Wochen als Wächter arbeite«, setzte er stockend an. »Ich … ich habe Grund zu der Annahme, dass sie Euch und Eurem Bruder gut bekannt ist.«
Jaime hob unwillig die Augenbrauen.
»Ich, nun, Herr, ich will Euch keinesfalls zu nahe treten, aber ich dachte, nun, weil sie doch eine so schöne junge Frau ist und …« Er verstummte unter Jaimes Blick und wich zurück. »Entschuldigt, Herr, es sieht so aus, als habe ich mich geirrt.«
Unter pflichtschuldigen Verbeugungen wandte er sich zum Gehen. Als er die Tür fast erreicht hatte, rief Jaime: »Was für eine Frau ist das denn?«
»Eine Maurin, Herr. Im Fieber führte sie Euren Namen auf den Lippen, und so dachte ich …«
»Eine Maurin?« Jaime trat zu ihm. »Wie sieht sie aus?«
»Sie ist wunderschön, und wenn sie einen mit ihren blauen Augen anschaut …«
Jaime packte ihn grob am Arm. »Heißt sie Zahra?«
Pedro nickte erschrocken. »Ja, Herr, so ist ihr Name.«
Jaime ließ sich den Kerker beschreiben, in dem Zahra gefangen gehalten wurde, fragte nach der Bewachung und den Schichtwechseln.
»Die Soldaten, die heute Nacht Wache halten, sind bekannt dafür, dass sie ihre Zeit gern mit Würfeln und einem Fässchen Wein totschlagen – und ich habe munkeln hören, dass man Zahra in den nächsten Tagen in einen anderen Kerker verlegen will.«
Jaime schnallte sich sein Schwert um und rief seinen Diener. »Gib dem Mann hier ein ordentliches Abendessen und einen Korb voll bestem Essen für seine Familie mit!«
Noch ehe Pedro dazu kam, sich zu bedanken, war Jaime zur Tür hinaus. Erst als die Haustür ins Schloss krachte, fiel Pedro ein, dass er Jaime nichts von dem Kind gesagt hatte …
Ohne Rücksicht auf Passanten jagte Jaime auf Barbakan durch die nächtlichen Straßen. Flüche folgten ihm, doch er trieb sein Pferd weiter an. Währenddessen fragte er sich, warum, zum Teufel, er sich persönlich auf den Weg zu seinem Bruder machte und ihm nicht nur einen Boten schickte. Sollte er doch selbst sehen, wie er Zahra da herausbekam, zumal es allein seine Schuld war, dass man sie eingesperrt hatte. Trotzdem ritt er weiter, und als er Gonzalos Haus erreicht hatte, hämmerte er so lange an die Haustür, bis ihm ein verschlafener Diener öffnete. »Wo ist mein Bruder?«, herrschte Jaime ihn an.
»Er schläft, Don Jaime«, stotterte der Diener. »Er ist erst am Abend von dem Feldzug mit dem Maurenkönig zurückgekommen und hat mir ausdrücklich aufgetragen, ihn nicht zu stören!«
»Dir vielleicht, aber mir nicht«, knurrte Jaime. »Und jetzt lass sein Pferd holen!«
Er nahm dem Diener die Kerze ab, stieß ihn beiseite und eilte, sorgsam die Hand vor die Flamme haltend, die Treppe zu Gonzalos Schlafzimmer hinauf. Ohne anzuklopfen,
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