Die Maurin
haben, ließ Zahra Jaime für einen Moment vergessen. Sie küsste Abdarrahman und strich ihm zärtlich über sein feingeschnittenes Gesichtchen. Als sie wieder zu Jaime aufsah, schwieg er noch immer. Also ergriff Zahra das Wort. »Ich muss mich wohl schon wieder bei Euch bedanken«, sagte sie leise, obwohl ihr eigentlich ganz andere Dinge auf der Seele brannten.
»Zahra, bitte …« Jaime setzte sich neben sie auf das Bett, legte die Hände zusammen, faltete sie, dehnte die Finger, riss sie auseinander und stöhnte: »Zum Teufel, ich weiß einfach nicht, wie ich es sagen soll!«
Seine grünen Augen brannten sich in Zahras, was diese nur noch mehr verwirrte, zumal in ihr eine ebenso unvernünftige wie gewaltige Sehnsucht aufkam, seine Lippen auf den ihren spüren. Und da näherte sich Jaime ihr wirklich und küsste sie, erst sanft und behutsam, dann voller Leidenschaft, und als Zahra schon das Gefühl hatte, von einem Strom aufbrandender Erregung weggerissen zu werden, ließ er plötzlich von ihr ab. Zahra sah, wie es in seinen Augen funkelte, und fühlte sich vollends verunsichert. War dies Funkeln in seinen Augen Triumph? Nahm er nun endgültig an, alles mit ihr machen zu können, was er wollte, weil sie bei der kleinsten Berührung von ihm dahinschmolz? Sie ärgerte sich, dass sie es ihm so leicht gemacht hatte, ihn ihre Gefühle so sehr hatte spüren lassen. Jaime lachte auf, versetzte ihr einen Nasenstüber und brummte: »Wie stolz und hochfahrend du bist! Warum fällt es dir so schwer zu glauben, dass ich … dich liebe?«
Da war es endlich, das Wort, nach dem sich Zahra so sehr gesehnt hatte. Ihr Herz begann wie wild zu schlagen, bis zum Halse konnte sie es spüren, und in ihr schoss eine unbändige Freude und Seligkeit hoch, aber zugleich auch Verärgerung darüber, dass er sie so leicht durchschaute – und sie kein bisschen in ihn hineinsehen konnte. »Was willst du wirklich von mir?«, fragte sie ihn mit belegter Stimme.
»Vielleicht noch ein paar weitere solcher Prachtkerle wie Abdarrahman? Oder auch ein Mädchen, das ebenso schön ist wie du? Mit diesen unglaublich blauen Augen, in denen man sich verlieren kann?« In seiner Miene blitzte so viel Schalk auf, dass Zahra nur noch ärgerlicher wurde, aber ehe sie dazu kam, ihm die Meinung zu sagen, küsste er sie wieder, und damit setzte erneut jede Fähigkeit zum Denken und Argumentieren in ihr aus. Tastend, suchend, verlangend strichen seine Hände über ihren Körper, liebkosten ihr Gesicht, gruben sich in ihr dickes Haar – bis er, sichtlich widerstrebend, erneut von ihr abließ. »Verdammt, aber ich befürchte, dafür ist es noch zu früh«, raunte er und strich ihr und Abdarrahman sanft über das Gesicht. Und dann küsste er sie noch einmal, und die Kraft und Intensität dieses Kusses verrieten Zahra mehr, als Worte es vermocht hätten, wie sehr er sie tatsächlich liebte.
Monate verstrichen, in denen Zahra, Jaime und ihr Sohn ständig auf der Flucht und in der Furcht vor Entdeckung lebten. Nachdem Zahra dank Annas guter Pflege genesen war, zogen sie in Jaimes altes Jagdhaus, das unweit von Córdoba in den Wäldern verborgen lag. Doch dann warnte Gonzalo sie, dass die Soldaten Jaime bei Zahras Befreiung erkannt hatten und Torquemadas Häscher sicher früher oder später in Jaimes Jagdhütte auftauchen würden. Auf Gonzalo selbst hatten die Wächter in dem Tumult nicht geachtet, allerdings merkte er, dass er seit Zahras Verschwinden überwacht wurde: Nicht weit von seinem Haus stand ein Mann, der sich ihm, wann immer er ausging, an die Fersen heftete. Gonzalo war klar, dass Isabel und Torquemada ihn beobachten ließen, um herauszufinden, ob er etwas mit Zahras Verschwinden zu tun hatte – und er sie möglicherweise sogar zu ihr führte. Nach vier Wochen hörten die Nachstellungen auf. So konnte Gonzalo weiter ruhig in Córdoba leben und Jaime regelmäßig über einen Boten Nachrichten zukommen lassen. Überdies verkaufte er über einen Mittelsmann Jaimes Stadtwohnung und schickte ihm den Erlös. Da Jaime nicht nach Córdoba zurückkonnte, nutzte ihm die Wohnung nichts mehr, und er brauchte das Geld, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Gonzalos Briefe waren knapp und förmlich und endeten stets mit dem Satz, er hoffe, dass Zahra niemals bereuen müsse, sich für Jaime entschieden zu haben. An Zahra selbst wandte er sich nie. Es wunderte sie nicht, und es verging kein Tag, an dem sie nicht bedauerte, dass Gonzalo von ihren Gefühlen
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