Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
Vom Netzwerk:
für Jaime auf diesem Weg hatte erfahren müssen.
    Inzwischen wohnten Jaime und Zahra in ihrer vierten Unterkunft, einem kleinen Landhaus eines Freundes von Jaime, doch in den letzten Tagen waren immer öfter christliche Soldaten durch das Dorf gezogen, die ihre Truppe verloren hatten.
    »Wir sind auch hier nicht länger sicher«, sagte Jaime. »Es gibt zu viele Soldaten in Isabels Heer, die mich kennen. Es tut mir leid, aber wir müssen weiterziehen.«
    Also packten sie erneut ihre wenigen Habseligkeiten zusammen. Jeder Neuanfang kostet sie viel Geld und brachte den Erlös aus dem Verkauf von Jaimes Wohnung weiter zum Schwinden. Zahra war klar, dass er früher oder später gezwungen sein würde, sich nach einer Arbeit umzusehen. In den vergangenen Monaten war ihre Liebe noch tiefer geworden, so tief, dass sie die Absolutheit und Heftigkeit ihrer Gefühle manchmal angst und bang werden ließ. Sie konnte sich nicht vorstellen, jemals wieder auch nur einen Tag ohne ihn zu verbringen, und sah doch, dass sie so auf Dauer nicht würden leben können.
    »Wohin werden wir diesmal gehen?«, fragte sie, während Jaime ihr kleines robustes Packpferd belud. »Eigentlich laufen wir doch überall, wo Christen leben, Gefahr, dass uns jemand erkennt und der Königin oder Torquemada verrät, wo sie uns finden können.«
    »Ich weiß.« Jaime schloss seufzend den Haltegurt. »Wir müssen eben noch vorsichtiger sein und noch zurückgezogener leben.«
    »Und wenn wir in al-Andalus untertauchen?«, fragte Zahra nach einem Zögern. »Wenn wir meine Landsleute glauben machen würden, dass du zum Islam übergetreten bist …«
    »Machst du Witze?« Jaime fuhr zu ihr herum. »Ehe ich noch einmal unter diesem Pack lebe, schneide ich mir lieber die Kehle durch!«
    Zahra zwang sich, ruhig zu bleiben. »Jaime, damals warst du Kriegsgefangener. Das ist, als würde ich Torquemada und den Folterknecht im Kerker mit allen anderen Kastiliern über einen Kamm scheren! Und falls es dir entgangen sein sollte: Du lebst bereits unter Mauren; ich bin eine, und Abdarrahman ist zumindest ein halber!«
    »Abdarrahman ist höchstens ein Viertelmaure, weil nämlich auch du nur eine halbe Maurin bist. Also komm mir nicht damit!«
    Unwillig krauste Zahra die Stirn. Seit sie zusammenlebten, hatte sie sich noch nie mit Jaime gestritten, aber das konnte sie nicht unwidersprochen lassen. »Meine Mutter ist aus Überzeugung zum Islam übergetreten, sie hat alle unsere Lebensgewohnheiten übernommen und mich in maurischer Tradition erzogen – und damit bin ich sehr wohl eine ganze Maurin und fühle mich auch als solche. Außerdem kannst du nicht über etwas urteilen, was du nicht kennst!«
    »Und wie ich das kann!«, donnerte Jaime und schlug so heftig auf das festgezurrte Gepäckbündel, dass das Packpferd erschrocken zurückscheute. Doch sogleich beruhigte er sich wieder und zog Zahra mit einem entschuldigenden Lächeln an sich. »Du weißt sehr gut, dass ein Leben in einem maurischen Dorf für mich kein Leben wäre; reden wir also nicht mehr darüber!«
    Zahra nickte, wobei ihre Stirn über seine Schulter rieb. Ihr Gesicht hätte Jaime verraten, dass sie nur aus Klugheit, keineswegs aber aus Überzeugung nachgab.
     
    Zahra und Abdarrahman trugen auf ihrer Reise christliche Kleider, um nicht aufzufallen, und überdies verzichtete sie darauf, weiter Arabisch mit ihrem Sohn zu sprechen, damit er, wenn er zu sprechen begann, sich nicht verplappern konnte. Trotzdem verlief ihre Reise durch das Christenland nicht ohne Gefahren. In den Tavernen erntete Zahra misstrauische Blicke, wenn sie das Schweinefleisch auf ihrem Teller unberührt ließ, und als sie an einem Waldrand ihr Abendgebet gen Mekka kniend verrichtete, überraschte sie ein Trupp christlicher Soldaten, und Jaime hatte seine liebe Not, Zahras Gebetshaltung mit Unwohlsein zu erklären. Als sie endlich ein abgelegenes Haus in der Nähe Sevillas gefunden und sich eingerichtet hatten, lief Zahra bei ihrem ersten Einkauf auf dem Markt der Stadt ausgerechnet dem Pater über den Weg, der sie in Córdoba im Katechismus unterrichtet hatte. Der kleine, dicke Mann stierte sie an, als hätte er eine Erscheinung, aber seine Schreckensstarre währte nicht lange. Erstaunlich behende für seine dickliche Gestalt hastete er zu zwei Soldaten und quäkte ihnen entgegen, dass sie diese Ketzerin und Landesverräterin auf der Stelle festnehmen sollten, wenn ihnen an ihrem Seelenheil gelegen sei. Zahra sah entsetzt zu Jaime, der

Weitere Kostenlose Bücher