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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Füßen hoch und klatschte ihm auf den Po, doch es gab keinen Laut von sich. Trotz ihrer Ermattung stützte sich Zahra auf. »Was ist mit meinem Kind? Warum schreit es nicht?«
    »Es ist zu klein«, murrte die Hebamme. »Sei froh, dass wenigstens du noch lebst!«
    »Gebt es mir, los, Ihr sollt es mir geben!« Mit funkelnden Augen fuchtelte Zahra in Richtung der Alten. Nur widerwillig reichte sie ihr das Neugeborene. »Auch du kannst nichts für sie machen!«
    Zahra sah, dass ihre Tochter blau anlief. Sie legte sie in ihren Arm, massierte ihre Glieder, und als sie auch dann noch nicht zu atmen begann, atmete sie behutsam in die kleine Nase und den winzigen Mund.
    »Das bringt doch nichts«, raunte die Alte, und zu Jaime: »Jetzt nimm ihr schon das Kind weg. Es wird hernach nur noch schlimmer für sie!«
    Doch Jaime rührte sich nicht. Gebannt beobachtete er, wie Zahra das Kind wieder und wieder beatmete. Er ahnte, dass Zahra dies ebenso wenig wie er je getan noch auch nur davon gehört hatte, und doch erschien es ihm ganz natürlich, dass sie es tat. Er sah, wie sich der Bauch des winzigen Mädchens hob und senkte, und endlich entrang sich ihm ein japsendes Fiepen.
    »Zahra, hörst du, hörst du …«, stammelte Jaime.
    Zahra beatmete das Kind noch einige Male, dann stieß es einen zweiten, dünnen Schrei aus und streckte die winzigen Glieder. Zahra bedeckte seinen Körper mit Küssen, weinte, lachte, schluchzte, drückte ihr Kind an sich, und schließlich entrang sich dem zarten Wesen ein noch kräftigerer Schrei. Mit tränennassem Gesicht umarmte Jaime Zahra und ihr Kind, zog auch Abdarrahman zu ihnen und konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen.
     
    Sie nannten ihre Tochter Chalida – die Überlebende, die Unvergängliche. Da sich Zahra nur langsam von der Geburt erholte und das Kind noch so schmächtig war, dass sie und Jaime fürchteten, der erste Windhauch könne es ihnen entreißen, brachte Jaime sie in eine verlassene Arbeiterhütte im Wald. Erst drei Wochen später erschien ihnen das Kind kräftig genug, um die Weiterreise nach Málaga wagen zu können. Auf ihrem Weg stellten sie fest, dass die kastilischen Truppen inzwischen weite Teile des maurischen Gebiets erobert hatten. Verbrannte Dörfer, tote und schwerverletzte maurische Soldaten, Frauen, Kinder und Alte säumten ihren Weg, und immer wieder mussten sie sich vor versprengten christlichen Soldaten im Wald verstecken. Zwei Wochen später erreichten sie endlich ihr Ziel.
    Nach Granada war Málaga die wichtigste Stadt des Maurischen Königreichs. In ihrem Rücken war sie durch hohe Berge und Festungsmauern, zum Meer hin durch Wälle gewaltiger Stärke geschützt, gegen die rhythmisch die Wellen des Mittelländischen Meeres prallten. Auf einem hohen Wall stand die Alcazaba, die Stadtfestung. Unmittelbar darüber erhob sich eine steile, felsige Höhe, der Gibralfaro. Darauf thronte eine zweite Burg, die wegen ihrer Lage, ihrer mächtigen Wälle und der gewaltigen Türme als uneinnehmbar galt. Mit der Alcazaba war sie über einen überdachten Weg verbunden, der zwischen zwei Mauern längs der Firste der Felsen hinabführte. Die Burg von Gibralfaro beherrschte die Alcazaba und die Stadt, und sie war gut genug gerüstet, um eine länger anhaltende Belagerung zu überstehen. An die eigentliche Stadt grenzten zwei weitläufige Vorstädte an; in der einen, die sich zur See hin öffnete, lagen die Wohnhäuser der begüterten Einwohner, die mit hängenden Gärten das Erscheinungsbild prägten, in der anderen auf der Landseite lebte das niedere Volk, umgeben von starken Wällen und hohen Türmen.
    Málaga war bekannt für seine tapferen Einwohner, die als fleißig, furchtlos und entschlossen galten. Vor allem aber war die Stadt ein reicher Handelsplatz, der unter der Herrschaft zahlreicher, begüterter Kaufleute stand, welche die verlustreichen Folgen einer Belagerung fürchteten. Sie zeigten wenig Verständnis für die Kriegsleidenschaft der Stadtsoldaten und beneideten jene Orte, die sich auf Boabdils Seite gestellt hatten: Deren Eigentum war sicher, und sie profitierten von den einträglichen Vorrechten eines geschützten Handels mit den Christen. An der Spitze dieser gewinnorientierten Kaufleute stand Ali Dordur, ein einflussreicher Händler von unermesslichem Reichtum, dessen Schiffe mit jedem Hafen in der Levante Handel trieben und dessen Wort in Málaga Gesetz war. Jaime und Zahra hofften, die Stadt auf einem seiner Schiffe verlassen zu können. Der neue

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