Die Maurin
Alcalde Málagas war ihnen ebenfalls bekannt. Es war Hamet Zeli, von den Kastiliern El Zegri genannt. Im ganzen Maurenreich pries man ihn als tollkühnen, siegreichen Feldherrn. Einst war er der Alcalde von Ronda und der Schrecken der Berge gewesen. Seit die Christen seine Stadt erobert hatten, war er einer ihrer erbittertsten Feinde.
Da Zahra immer noch sehr erschöpft war und sich um ihr zartes Töchterchen sorgte, mietete Jaime ein Zimmer in einem der besten
funduqs
der Stadt. Doch auch hier konnten sie keinen großen Komfort erwarten.
Funduqs
waren praktische Einrichtungen, in denen man sich an die Gegebenheiten anzupassen hatte. Da Zahra sich in den letzten beiden Jahren an ärmliche Verhältnisse gewöhnt hatte, störte sie es nicht. Im Innenpatio stellten sie ihre Pferde zwischen edlen Rössern, Eseln, Schafen und Ziegen ab. Der Gestank ihrer Exkremente nahm einem schier die Luft zum Atmen. Abdarrahman hielt sich die Nase zu und zog an Zahras Hand, um wieder hinauszugehen.
»Oben im Zimmer wird die Luft besser sein«, tröstete sie ihn und konnte es selbst kaum erwarten, dorthin zu kommen. Müde und zerschlagen, wie sie war, hatte sie das dringende Bedürfnis, sich hinzulegen und auszuruhen.
Ihr Zimmer war sauber und überraschend geräumig. Jaime schickte einen der Burschen des
funduqs zum suq,
um Essen für sie zu besorgen. Anschließend wollte er zum Hafen gehen. »Je eher ich mit Ali Dordur rede, desto größer sind unsere Chancen, noch aus der Stadt rauszukommen!« Zahra küsste ihn zum Abschied und sank mit den Kindern auf ihre Schlafstatt. Während Chalida an ihrer Brust trank, kraulte sie Abdarrahmans Locken, bis er einschlief. Sie musste daran denken, wie er noch vor wenigen Wochen lachend und unbeschwert in dem kleinen maurischen Bergdorf herumgestromert war, und biss sich auf die Lippen.
Auch Zahra nickte bald ein. Nach dem Erwachen verspürte sie brennenden Durst. Sie schälte sich zwischen ihren Kindern hervor und ging nach unten, um sich von einem der Burschen im
suq
Saft kaufen zu lassen. Als sie die weitläufige Treppe zum Innenpatio herabschritt, fiel ihr bei den Pferden eine schmale, blasse Frau auf, die sie an jemand erinnerte. Die junge Frau trat unsicher von einem Bein aufs andere, knetete die Hände und prüfte zwischendurch immer wieder, ob ihr Hidschab richtig saß. Dazwischen blickte sie so oft zum Eingang, dass Zahra annahm, dass sie auf jemanden wartete. Obwohl Zahra wegen des Schleiers nur den oberen Teil des Gesichts sehen konnte, wurde sie sich immer sicherer, dass die Frau Zainab war. Mit einem Mal sah sie zu ihr her. Erstauntes Erkennen trat in ihren Blick, dann verschwammen die graublauen Augen unter Tränen. Sie rannten aufeinander zu und sanken sich in die Arme.
»O Zainab, meine kleine Zainab«, stammelte Zahra und drückte ihre Schwester innig an sich. Dann hielt sie sie ein Stück von sich weg, um sie besser ansehen zu können. Die Blässe ihrer Haut erschreckte sie nicht weniger als ihre eingesunkene Haltung, die kaum der einer jungen Frau entsprach. Sie fragte sich, ob dies Ibrahims Werk war. Warum hatte das nur alles so kommen müssen?
»Zainab, wie ich mich freue, dich zu sehen!«
Ihre Schwester wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen und lächelte sie an. »Ich mich auch. Ach, Zahra, ich … Es gibt so vieles, für das ich mich bei dir und Hayat entschuldigen muss!«
»Ach, was redest du denn da!« Zahra strich ihr über den Arm. »Du warst jung und unerfahren. Und was machst du überhaupt hier? Ich dachte, ihr lebt in Marokko!«
»Das tun wir auch, aber Ibrahims Handel bringt viele Reisen mit sich, und meist besteht er darauf, dass ich ihn begleite.«
»Willst du nicht mit hoch in unser Zimmer kommen, damit wir reden können?«
Zainab warf einen furchtsamen Blick zum Eingang. »Ich kann nicht, mein Mann … Ich darf mich mit niemandem unterhalten, und wenn er wüsste, dass ich gerade mit dir rede … Zahra, bitte, er darf dich nicht sehen. Er wird jeden Augenblick zurückkommen!«
Ibrahim über den Weg zu laufen hielt allerdings auch Zahra für wenig ratsam. In aller Eile beschrieb sie ihrer Schwester, wo ihr Zimmer lag. »Und bitte, komm!«
Zainab nickte vage, wandte sich gehetzt von ihr ab und eilte auf einen Mann zu, der eben den Patio betrat. Geschwind verbarg sich Zahra hinter zwei Pferden und beobachtete von dort, wie Ibrahim ihre Schwester die Treppe hinaufführte. Sein feister Leib löste das gleiche Schaudern wie vor
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