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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Nusairs Kopf sackte ab und an auf die Brust.
    Da knurrte Nusair: »Die Baumgruppe da stört, ja?«
    »Mmh.« Jaime streckte sich, um die Müdigkeit zu vertreiben.
    »Und ein Wachturm am anderen Ortseingang fehlt?«
    »Genau.«
    »Aber wo sollte man ihn da errichten?«
    »Man müsste ein Stück Wald roden, damit man eine größere, offene Fläche vor dem Ort hat, und oben auf dem Berg einen zweiten Turm bauen. Dann könnte man rechtzeitig warnen, wenn der Feind anrückt.«
    Wieder versank Nusair in Schweigen, dann grummelte er: »Für wen hast du gekämpft? Für die Christen?«
    Auf der christlichen wie auf der maurischen Seite gab es Soldaten, die abwechselnd für die eine und die andere Seite kämpften – je nachdem, wo ihre Dienste am besten bezahlt wurden –, so dass Jaime zumindest dies zugeben konnte. »Ja, auch mal für die Christen«, brummte er.
    Nusair nickte und wollte wissen, was Jaime noch verbessern würde. Jaime erklärte ihm, dass die Bewaffnung zu dürftig sei. Daraufhin verfiel Nusair wieder in Schweigen. Am nächsten Morgen aber ließ er die Männer des Ortes zusammenrufen und erklärte ihnen, dass weitere Sicherungsmaßnahmen getroffen werden müssten. Jaime war bewusst, dass er den Christen indirekt geschadet hatte, aber seine Familie war ihm wichtiger als Isabel und ihre hochgestochenen Ziele, die er, je länger er hier lebte, umso weniger als die seinen empfand.
     
    Wenige Monate später waren alle von Jaime angeregten Maßnahmen umgesetzt. In einer Nacht, in der sich Jaime wieder einmal mit drei Mauren am Wachdienst beteiligte, erklangen plötzlich die Alarmglocken. Zahra wurde sofort wach. Sie lief auf die Straße, um die Nachbarn zu wecken, aber auch diese waren schon auf den Beinen.
    »Frauen und Kinder hoch in die Berghöhle!«, brüllte jemand. Zahra eilte mit ihrem schlafenden Kind an den Sammelpunkt am Ortsbrunnen. Sie machte sich Sorgen um Jaime und fragte, von welchem Wachturm aus der Alarm erklungen sei, doch keiner konnte es ihr sagen. Die Männer sammelten sich ebenfalls auf dem Platz, viele mit den neuen Waffen ausgerüstet, die auf Jaimes Veranlassung hin hergestellt worden waren. Es waren einfache Lanzen, Dolche, Pfeile und Bögen; kostspielige Schwerter konnte sich niemand leisten. Auf dem Weg zur Berghöhle wurde Abdarrahman wach und begann zu weinen; auch das Kind in ihrem Leib war unruhig und trat sie so heftig in die Seite, dass sie immer wieder stehenbleiben und sich über den Bauch streichen musste. Schließlich nahm ihr eine Nachbarin Abdarrahman ab, eine andere fasste sie unter den Arm und zog sie mit.
    Sie hatten die Höhle gerade erreicht, als im Dorf das erste Haus in Flammen aufging. Unter den Frauen brach Weinen und Wehklagen aus.
    Bis in die frühen Morgenstunden schallten die Kampfes- und Todesschreie vom Ort zu ihnen hoch. Welche der Truppen im Vorteil war, konnten die Frauen von der Höhle aus nicht erkennen. Zugleich mit dem Sonnenaufgang wurde es gespenstisch still unten im Dorf, die Flammen wirkten im aufklarenden Tag weniger schrecklich als in der Nacht, doch alle konnten nun sehen, dass mehr als die Hälfte der Häuser niedergebrannt waren, und mit ihnen das Vieh und die erst vor kurzem eingeholte Ernte. Jammern und Klagen hob erneut an – wovon sollten sie jetzt leben? –, Zahra aber konnte nur an eines denken: Wo war Jaime? War er unverletzt? Hatte ihn einer der kastilischen Soldaten erkannt? War er womöglich auf einen seiner Brüder gestoßen?
    Erst gegen Mittag stießen die ersten Männer des Dorfes zu ihnen. Viele waren verletzt, einige schwer. Zahra schickte eine Frau los, um im Wald Heilkräuter zu suchen, ließ sich aus Kleidern Verbandsmaterial reißen und Wasser abkochen, damit sie mit den Kräutern einen Sud herstellen konnte. Zugleich versorgte sie mit fliegenden Händen die dringendsten Verletzungen und war dankbar über diese Aufgabe, denn Jaime war noch immer nicht aufgetaucht, und niemand konnte ihr sagen, wo er war. »Er hat gekämpft wie einer der Unseren« war alles, was sie zu hören bekam, und dann rief man sie zu dem nächsten Schwerverletzten.
    Am späten Nachmittag legten sich zwei warme, starke Hände auf ihre Schultern. Zahra fuhr herum und sank aufschluchzend in Jaimes Arme. »Ich hatte solche Angst um dich!«
    Jaime zog sie an sich und küsste sie. Außer ein paar Schrammen hatte er nichts abbekommen.
    Als endlich alle Verletzten versorgt waren, sank Zahra erschöpft neben Jaime. »Und jetzt?«, fragte sie leise.
    Jaime

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