Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
Vom Netzwerk:
verzweifelt und hilflos, wie sie vor ihr saß, beinahe selbst die Nase geschneuzt. »Es ist wegen Vater. Als ich Ibrahim zum ersten Mal auf einer Handelreise nach Granada begleitete, trafen wir in unserem Stadthaus nur Yazid an. Az-Zagal hatte ihm befohlen, Raschid und Vater gefangen zu nehmen. Raschid hatte fliehen können, aber Vater …«
    Zahra spürte ein unheilvolles Stechen im Bauch. »Was ist mit Vater?«
    »Az-Zagal hat … er wollte, dass sich Vater von Boabdil lossagt, und als er sich weigerte … Zahra, es war so schrecklich, wie az-Zagals Leute ihn im Gerichtssaal gedemütigt haben. Aber Vater war ganz still und gefasst, und dieser letzte Blick, den er mir zuwarf – nie werde ich ihn vergessen. Aber ich konnte doch nichts für ihn tun! Angefleht habe ich az-Zagal, auf Knien angefleht, doch er wollte nichts für Vater tun!«
    »Sie … haben Vater hingerichtet?«
    Zainab nickte.
    Zahra war wie gelähmt. Ihr Vater … Nie hatte sie sich mit ihm aussöhnen können. »Wann und wie?«, fragte sie heiser.
    »Vor einem halben Jahr. Sie haben Vater geköpft.« Zainab schluchzte auf.
    »Und Mahdi?«
    »Als Raschid und Deborah nach Granada zurückkamen, war Deborah lange Zeit krank. Ich habe mich dann Mahdis angenommen, und als wir später von Granada weggingen, habe ich ihn mitgenommen, doch jetzt will Ibrahim, dass ich ihn weggebe, aber er ist doch mein Bruder und für mich wie ein eigenes Kind, zumal ich … ich keine Kinder mehr bekommen kann. Vor zwei Jahren hatte ich eine Fehlgeburt. Ibrahim hatte mich geschlagen, und seither …«
    Zahra wiegte ihre Schwester in den Armen und wusste nicht, was sie auf so viel Leid erwidern sollte. Am liebsten hätte sie ihrer Schwester gesagt, dass sie Mahdi holen und mit ihnen fliehen solle, aber solange Jaime keinen Weg fand, sie von hier wegzubringen, waren dies nur leere Worte. »Allah, er ist erhaben, wird uns einen Weg weisen«, sagte sie stattdessen. »Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben, hörst du, Zainab?«
    »Hoffen … Aber die Leute sagen, wir kämen nie mehr raus aus dieser Stadt.« Zainab biss sich auf die Lippen. »Ach, Zahra, meinst du nicht auch, der Allmächtige hat uns vergessen?«
    Und auch wenn Zahra ihr vor wenigen Minuten noch zugestimmt hätte, schüttelte sie nach einem Blick auf ihre Kinder entschlossen den Kopf. »Es gibt immer einen Weg, Zainab. Es muss einen geben!«
    Zainab sah sie zweifelnd an, umarmte sie noch einmal und hatte es dann eilig, zurück in ihr Zimmer zu gehen. Sie hüllte sich wieder in ihren Hidschab. »Du weißt nicht, wie er ist, wenn er merkt, dass ich weggegangen bin!«
    Mit wehem Herzen sah Zahra ihr nach.
     
    Am nächsten Tag stand das christliche Heer vor den Toren Málagas. Die Truppenstärke war so gewaltig, dass selbst den kühnsten Soldaten das Blut in den Adern gefror. Zunächst griffen die Christen nicht an, sondern schickten Boten, welche den Bewohnern Málagas freien Abzug zusagten, wenn sie die Stadt kampflos übergaben. Weigerten sie sich, würden sie nach dem Sieg der Christen in die Sklaverei verkauft werden. Zahra fragte Jaime, was er für richtig halte.
    »So wie ich El Zegri einschätze, stellt sich diese Frage gar nicht. Nie und nimmer wird er den Christen die Stadt kampflos übergeben.«
    »Du meinst, er sieht lieber zu, wie alle Menschen hier versklavt werden, als auf seine Rache zu verzichten?«, entsetzte sich Zahra. »Aber du hast doch selbst gesagt, dass wir gegen dieses riesige Heer keine Chance haben, und im Hafen liegt seit dem Morgen die kastilische Kriegsflotte!«
    Jaime erhob sich und ging auf und ab.
    »Jaime, es muss doch noch irgendetwas geben, was wir tun können. Ich habe solche Angst, dass die Christen mich wieder einsperren und hinrichten – und sie werden uns unsere Kinder wegnehmen! Würde El Zegri aber aufgeben, könnten wir vielleicht noch mit einem Schiff entkommen!«
    »Ich weiß, Zahra, ich weiß«, sagte Jaime leise und drehte sich ruckartig zu ihr um. »Ich werde noch einmal zu Ali Dordur gehen. Wenn überhaupt, kann nur er El Zegri umstimmen.«
    Stunden später kam Jaime mit verzagter Miene zurück. El Zegri hatte die Übergabe der Stadt abgelehnt, und inzwischen tobten die ersten Kämpfe. Mit flüssigem Pech und Harz versuchten die Mauren, die Christen am Besteigen der Stadtmauern zu hindern, aber es war nur eine Frage der Zeit, wann die ersten von ihnen die Festungsmauer überwinden würden.
    »Und Dordur?«, rief Zahra. »Kann er nichts tun?«
    »Er hat

Weitere Kostenlose Bücher