Die Maurin
Jahren in ihr aus; noch mehr aber graute ihr vor dem harten, herrischen Blick, mit dem er ihre Schwester maß.
Am frühen Abend öffnete sich die Tür von Zahras Gemach, doch nicht Zainab, sondern Jaime trat herein. Seine Miene war düster.
»Hast du Ali Dordur nicht sprechen können?«, fragte Zahra besorgt, während sie Chalida weiter im Arm wiegte. Seit sie in Málaga angekommen waren, war ihre Tochter sehr unruhig und schreckte immer wieder weinend aus dem Schlaf, als spüre sie die Bedrohung, die auf die Stadt zurollte.
»Doch, gesprochen habe ich ihn schon«, brummte Jaime und sank auf ihre Liegestatt, »aber er hat meine Bitte rundweg abgelehnt, und zwei andere Schiffseigner ebenfalls.«
»Aber warum denn?«
»El Zegri hat jede Ausfahrt von Schiffen untersagt. Er hat wohl Angst, dass die Einwohner Málagas massenhaft die Flucht vor den Christen ergreifen – und so mancher Soldat gleich mit. Die Kastilier sind nur noch einen Tagesritt von hier entfernt. Ihre ersten Späher wurden schon gesichtet.«
Zahra strich sich über den Hals. »Soll das heißen, wir sitzen in der Falle?«
Jaime nickte. »Und jetzt frag mich bitte nicht, was wir tun sollen, das weiß ich nämlich selbst nicht.«
Da Chalida noch heftiger zu weinen begann, ging Zahra mit ihr im Zimmer auf und ab. Ihr Blick fiel dabei durch das Fenster auf die Stadt, in die sie so große Hoffnungen gesetzt hatten.
»Welche Chancen haben wir, die Christen zurückzuschlagen?«, fragte sie mit belegter Stimme.
»Geringe«, brummte Jaime. »Dordur sagt, bis vor kurzem sah es für die Mauren noch nicht einmal so schlecht aus, weil Fernando bei der Eroberung von Vélez-Málaga in ziemliche Schwierigkeiten geraten ist. Aber dann hat Isabel von Córdoba aus alle Männer, die einigermaßen rüstig sind, zu den Waffen gerufen, und Kardinal Mendoza hat ihnen einen hohen Sold garantiert und hernach auch selbst die Rüstung angelegt. So konnten sie Vélez-Málaga doch noch einnehmen, und ihr mächtiges Heer wird schon morgen vor unseren Toren stehen!«
»Weißt du, dass du eben von
unseren
Toren gesprochen hast?« Zahra sah Jaime erstaunt an.
»Wie kann ich auf einen Sieg der Christen hoffen, wenn sie meine Frau hinrichten wollen?« Jaime erhob sich und nahm Zahra das nun endlich schlafende Kind ab. Er legte es zu Abdarrahman und zog Zahra an sich. »Ich würde wahnsinnig werden, wenn dir oder einem der Kinder etwas zustoßen würde!«
Zahra umarmte ihn und wusste, dass es ihr umgekehrt nicht anders ginge. Wenn Allah ein Herz hat, dachte sie, wird er das Leid seines Volkes spüren und endlich etwas für es tun.
Es war schon dunkel, als sie ein zaghaftes Klopfen an der Tür hörten. Jaime öffnete und sah eine schmale, ihn furchtsam anblickende Maurin vor sich stehen. »Ja, bitte?«
»Entschuldigt, ich muss mich in der Tür geirrt haben.«
Zahra sprang auf. »Nein, Zainab, hast du nicht, komm rein!«
Sie stellte Zainab und Jaime einander vor, wobei sie Jaime als ihren Mann bezeichnete. Sie fühlte sich nicht wohl dabei, Zainab schon wieder anzulügen, wagte aber nicht, ihr die Wahrheit zu sagen. Da Zahra Jaime schon erzählt hatte, dass ihre Schwester ebenfalls im
funduq
wohne und vielleicht zu ihr kommen werde, und er wusste, welch trauriges Zerwürfnis zwischen ihnen stand, schob er ein wichtiges Treffen vor und ließ sie allein. Zahra dankte es ihm mit einem Nicken.
Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, ließ Zainab ihren Hidschab sinken. Über ihr unverschleiertes Gesicht rannen Tränen. »Ich kann nicht lange bleiben. Ibrahim ist nur für eine Stunde weggegangen, und ich habe Angst, dass er früher zurückkommt, und wenn er mich nicht in unserem Zimmer findet … Ach, Zahra, ich habe so viel Gemeines zu dir und Hayat und über ihr Verschwinden gesagt, aber du musst mir glauben, dass ich damals noch nicht wusste, wie es ist mit einem Mann, der so …« Ihre Worte ertranken in Schluchzen.
Zahra zog ihre Schwester mit sich auf ihre Schlafstatt. Zainab sank in ihren Schoß und weinte noch heftiger. »Ich weiß, dass es keine Entschuldigung für mein Verhalten gibt, aber ich hoffe, du glaubst mir, dass ich das alles nur zu gern ungeschehen machen würde!«
»Aber natürlich glaube ich dir das, Zainab, und ich wünschte, ich hätte verhindern können, dass du ausgerechnet an so einen Mann wie Ibrahim gerätst!«
»Aber du weißt ja noch nicht alles.« Sie rang um Fassung. Zahra reichte ihr ein Taschentuch und hätte ihr, so klein,
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