Die Maurin
auszusuchen. Da war der langweilige Kamal ja noch besser!«
»Zahra!«
»Ist doch wahr!«
»Schluss jetzt, ich will solche Reden nicht hören! Ibrahim ist ein gütiger und gebildeter Mann, und dass er bei eurer ersten Begegnung vor ein paar Wochen so schweigsam war, liegt allein daran, dass er erst vor wenigen Monaten seine beiden Frauen und alle seine Kinder durch einen Angriff der Christen auf sein Haus verloren hat. Denk also lieber erst einmal nach, bevor du redest! Und sei deinem Vater dankbar für seine Wahl. Du wirst gut versorgt und weit weg von den immer heftigeren Unruhen hier sein. Wer weiß, was in den nächsten Jahren noch alles auf uns zukommt?«
»Ob hier in Gefahr oder todunglücklich in Tanger – ich weiß nicht, was schlimmer ist!«
Leonor hob dazu an, Zahra ob ihrer neuerlichen Ungehörigkeit zurechtzuweisen, aber da klopfte es an der Haustür. Wie elektrisiert sprang Zahra auf, rannte hinunter in den Patio, wagte aber doch nicht, Tamu zuvorzukommen und die Haustür selbst zu öffnen, zumal sie sich dort nicht unverschleiert zeigen durfte. Ungeduldig blickte sie in den L-förmigen Gang und lauerte auf die Stimmen, die zu hören sein mussten, sobald Tamu die Besucher begrüßte, und tatsächlich erkannte sie kurz darauf die Stimme ihres Onkels Fahd und seiner Frau Munya – und hörte einen Aufschrei Tamus: »Aber Hayat, was tut Ihr denn hier?«
Als sei dies das Stichwort, auf das sie gewartet hatte, stürzte Zahra nun doch, alle Schicklichkeit vergessend, zur Haustür und fiel ihrer Halbschwester um den Hals. Vor Glück über ihre unversehrte Ankunft liefen ihr dicke Tränen über das Gesicht. Ihre Tante sah betroffen zu ihr. »Beim Allmächtigen, Zahra, steht es um deine Mutter denn so schlecht?«
Zahra zuckte unter ihren Worten zusammen. Unwillkürlich glitten ihre Hände von Hayat, und sie senkte den Blick.
»Wieso soll es um meine Herrin schlecht stehen?«, hörte sie Tamu hinter sich voller Verwunderung fragen. »Aber kommt doch erst einmal herein. Und wie schade, dass wir von Eurem Besuch nichts gewusst haben. Meine Herrin wird es bekümmern, nichts für Euch gerichtet zu haben!«
»Aber Hayat wollte unsere Ankunft doch ankündigen!«, rief die Tante nun noch erstaunter.
Zahras Blick bohrte sich tiefer und tiefer in die Fliesen des Hauseingangs. Auch ohne Tamu anzusehen, war ihr klar, dass sich ihre Augen inzwischen wie unter einem heranziehenden Gewitter verdüstert haben dürften.
»Ich glaube, ich führe Euch jetzt besser erst einmal ins Haus und Ihr besprecht alles Weitere mit meiner Herrin selbst«, sagte Tamu, packte Zahra und Hayat mit ihren derben Bauernhänden am Arm und schob sie unsanft zum Patio, wo Leonor sie schon erwartete. Mit ebenso überraschter wie freudiger Miene begrüßte sie Schwager und Schwägerin.
»Salam aleikum, liebe Munya, und auch du, Fahd, sei herzlich willkommen. Welche Freude, euch hier zu sehen. Aber wieso habt ihr Hayat mitgebracht? Ihrem Mann ist doch hoffentlich nichts geschehen?«
Zahra versank unter dem dunklen Blick, den ihr Onkel ihr und ihrer Halbschwester zuwarf. »Ich glaube, ihr beiden habt uns einiges zu erklären!«
Zahra schluckte, streifte Tamus Hand von ihrem Arm und trat vor ihre Mutter. »Bitte, Mutter, Ihr dürft Hayat nicht böse sein. Das Ganze war allein meine Idee!«
»Ich glaube, alles Weitere möchte ich erst hören, wenn euer Vater wieder da ist«, erwiderte Leonor mit zitternder Stimme. »Und jetzt geht ihr beiden hoch in Zahras Zimmer und rührt euch nicht von dort weg!«
Mit hängenden Köpfen schlichen die Mädchen zur Treppe, die nach oben führte. Auf dem Weg dorthin hörten sie, wie sich Leonor an Tamu wandte: »Schick Zubair zur Alhambra. Abdarrahman ist in einer Versammlung beim Emir. Er soll ihm Nachricht geben, möglichst bald nach Hause zu kommen!«
Sofort machte sich Tamu auf den Weg, während eine andere Dienerin den Neuankömmlingen die schweren, pelzverbrämten Umhänge und Munya den Schleier abnahm. Leonor bat ihren Schwager und ihre Schwägerin in den Wohnraum und ließ Saft und süßes Gebäck bringen.
»Ihr müsst entschuldigen, aber ich bin von alldem hier ebenso überrascht wie ihr«, hörte Zahra ihre Mutter sagen und sah von der Treppe aus, wie Fahd die Arme vor der Brust verschränkte, an ihrer Mutter vorbei ins Zimmer trat und sie anknurrte: »Das will ich hoffen.«
Dann schloss sich hinter ihnen die Tür.
Zwei Stunden später führte Tamu Zahra und Hayat in das Arbeitszimmer ihres
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