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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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fühlen, wenn Ihr mich gefangen nehmt.«
    Zahra musste an ihre erste Begegnung in der Alhambra denken und wie er sich im Löwenhof gegen seinen eigenen Landsmann gestellt hatte, um den Kampf zwischen diesem und ihrem Halbbruder zu beenden. Und dann dieser Blick, den sie später gewechselt hatten. Bei der Erinnerung hatte sie später immer wieder lächeln müssen. Diese Wärme und Leichtigkeit, die sie dabei in sich gespürt hatte … Sie sah ihn an und wurde sich bewusst, dass seine Augen von der gleichen bernsteinfarbenen Farbe wie die ihrer Mutter waren. Ob es daran lag, dass sie sich so zu ihm hingezogen fühlte?
    Plötzlich zerriss ein Ruf die Stille des Waldes. Zahra horchte auf. Wieder erschallte die Stimme. Es war ihr Bruder, der nach ihr suchte. Er schien näher zu kommen. Zahra sah zu Gonzalo, machte ihm Zeichen, sich zu verstecken, und rannte eilig in die Richtung, aus der ihr Bruder sie rief.

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    Zweiter Teil
    1481 – 1483

1.
    Granada
    10 . Dezember 1481
    Z ahra, Dios mío, qué estás haciendo?«
    Erschrocken hielt Zahra in ihrem rastlosen Auf-und- ab-Gehen inne und sah zu ihrer Mutter. Außerhalb des Spanischunterrichts, den ihre Mutter ihnen nach wie vor erteilte, verfiel diese nur dann in ihre Muttersprache, wenn sie sehr erregt oder verärgert war. Zahra aber war sich keines Vergehens bewusst.
    »Aber was soll ich denn tun, Mutter?«, fragte sie unsicher und nahm wieder ihren Platz hinter dem Webstuhl ein. »Ich webe, sonst nichts!«
    »Wenn du gerade mal wieder sitzt, webst du, ja, aber die überwiegende Zeit rennst du herum, als hättest du Ameisen im Po – und das schon seit Tagen! Allmählich kommst du mir vor wie eine Frau, die darauf wartet, dass ihr Geliebter ihr das vereinbarte Zeichen gibt, um mit ihm durchzubrennen – und dass er langsam überfällig ist!«
    Zainab kicherte. »Letzte Nacht ist Zahra auch dauernd hin und her gelaufen und hat immer wieder durch das Maschrabiya-Gitter vor ihrem Fenster auf die Straße gesehen. Ich glaube, sie hat tatsächlich einen Verehrer!«
    Zahra warf ihrer jüngeren Schwester einen vernichtenden Blick zu und schwor sich, sie nie wieder bei sich im Zimmer schlafen zu lassen – ganz gleich, wie viel Angst sie wegen Tamus abendlichen Geistergeschichten auch haben mochte. Zainab streckte ihr die Zunge heraus.
    Leonor schüttelte missbilligend den Kopf und legte ihre Stickarbeit in den Schoß. »Was ist bloß los mit dir, Kind? Es gibt da doch hoffentlich nicht wirklich jemanden?«
    »Ach woher«, rief Zahra unwillig. »Zainab hat geträumt. Ich habe letzte Nacht geschlafen wie ein Stein!«
    »Hast du nicht!«
    »Habe ich doch!«
    Leonor hob die Hand, woraufhin beide verstummten und Zahra wieder ihre Webarbeit aufnahm. Leonor sah noch einen Moment lang zu ihr, dann schnitt sie ein Stück granat-roten Faden ab, um ein weiteres Ornament auf ihr Tischtuch zu sticken. Schließlich war nichts als das leise Surren der Webschiffchen im Rahmen und das Durchstechen des festen Damaststoffes zu hören. Einige Zeit später blickte Leonor wieder zu Zahra und meinte: »Es ist sicher nicht leicht für dich, dass die meisten deiner Freundinnen inzwischen verheiratet sind, du aber noch immer ledig bist, weil Kamal kurz vor eurer Hochzeit bei diesem unseligen Überfall der Kastilier auf sein Schiff ums Leben gekommen ist. Und jetzt segelt auch der neue Mann, den dein Vater für dich erwählt hat, mit einer Karacke über das Meer, weil er vor eurer Hochzeit sein Hab und Gut von Almería nach Marokko bringen will. Aber auch wenn immer mehr kastilische Kriegsschiffe vor unseren Küsten patrouillieren, musst du keine Angst haben, dass ihm das gleiche Schicksal wie Kamal droht. Ibrahim reist in einem Konvoi von mehreren Schiffen, der von einem Teil unserer Kriegsflotte begleitet wird. Die Kastilier werden nicht wagen, sie anzugreifen, und sobald er zurückkommt, wird er dich holen, so dass du in Tanger mit ihm in Sicherheit leben kannst.«
    »Wegen mir muss Ibrahim die Gefahr einer neuerlichen Reise über das Mittelmeer nicht auf sich nehmen«, murrte Zahra. »Er kann sich gern auch dort nach einer Frau umsehen!«
    »Aber Zahra, was redest du denn da? Auch wenn Ibrahim ein bisschen älter als Kamal ist, wird er dir doch ein guter Gemahl sein.«
    »Er ist mehr als doppelt so alt wie ich!«, schnaubte Zahra. »Und außerdem ist er so dick wie ein Weinfass und stummer als ein Fisch. Ich weiß wirklich nicht, was sich Vater dabei gedacht hat, gerade ihn für mich

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