Die Maurin
Besucht er dich denn gar nicht mehr auf deinem Lager?«
»Nicht oft, nein, aber eigentlich oft genug, um davon ein Kind zu bekommen.« Hayat presste die Lippen zusammen und schluckte. »Meist wirft er sich auf mich, wenn er getrunken hat und Altaf ihn nicht bei sich haben will. Es ist jedes Mal … grauenhaft. Wie ein Tier fällt er über mich her. Schlimmer als das kann auch mein Leben als verstoßene Frau nicht werden!«
Zahra rieb sich mit dem Zeigefinger die Nase. In der Familie ihres Vaters waren die Frauen immer sehr fruchtbar gewesen. Krank war Hayat auch nicht … Zahra fiel ein, dass Tamu ihr im Wald einmal eine Petersilienwurzel gezeigt und ihr erklärt hatte, wie sie, richtig angewandt, verhindern konnte, dass eine Frau von einem Mann ein Kind empfing. Ob auch Altaf die Wirkung dieser Wurzel kannte?
»Und du?«, unterbrach Hayat Zahras Gedankengang. Sie trocknete sich die Tränen und musterte ihre Schwester mit einem sanften Lächeln. »Weißt du eigentlich, wie sehr du dich in diesen drei Jahren, die wir uns jetzt nicht gesehen haben, verändert hast? Du bist ja eine richtige Frau geworden, und wie schön du bist!«
Zahra errötete. »Es wäre besser für mich gewesen, wenn ich hässlich geworden wäre. Vielleicht hätte Vater es dann schwerer gehabt, einen neuen Mann für mich zu finden. Ich kann nur hoffen, dass Ibrahims Umzug nach Marokko noch Jahre in Anspruch nimmt – oder die Kastilier endgültig alle Seewege kappen und ihn so an der Rückkehr hindern.«
Für einen Moment schwiegen sie, dann sagte Zahra nachdenklich: »Weißt du, dass ich außer Mutter und Deborah kaum eine Frau kenne, die mit ihrem Mann glücklich ist? Auch die Sultanin … Hassan schikaniert sie immer mehr. Seit letzter Woche steht sie schon wieder unter Arrest, und ihr gesamtes Gefolge mit ihr. Ich bin die Einzige, die Aischa noch zutragen kann, was hier draußen vorgeht. Wenn Hassan könnte, würde er auch mich noch zu ihr sperren oder mir zumindest den Zugang zum Comaresturm verweigern, aber er weiß genau, dass er damit Vater beleidigen und die Ehrenhaftigkeit unserer Familie in Zweifel ziehen würde, und das wagt er dann doch nicht.« Auch wenn Zahra Hayat vertraute, wagte sie nicht, ihr zu gestehen, dass sie Aischa nicht nur die neusten Geschichten und Gerüchte aus der Stadt überbrachte, sondern auch weiterhin so manches Palastgeheimnis für sie erlauschte. Sie seufzte. »Also ich würde ja am liebsten gar nicht heiraten. Ich gäbe alles dafür, wenn ich einfach so weiterleben könnte wie bisher!«
»Aber das würde dann auch bedeuten, dass du nie einen solchen Sonnenschein wie meinen Yaqub in den Armen hältst!« Lachend betrat Deborah Zahras Zimmer, setzte ihr ihren einjährigen Sohn auf den Schoß und hieß Hayat mit einer herzlichen Umarmung willkommen. Als sie hörte, warum Hayat zurück in Granada war, schloss sie ihre Schwägerin noch einmal in die Arme und versuchte ihr ebenso wie Zahra Mut zu machen, dass Leonor Abdarrahman gewiss würde milde stimmen können. Seit ihrer Eheschließung vor zwei Jahren bewohnte Deborah mit Raschid Hayats ehemaliges Zimmer im ersten Stock des Hauses. »Leonor würde nie eines ihrer Kinder im Stich lassen, dafür hat sie in ihrer Sklavenzeit viel zu viel Leid ertragen müssen, und für sie bist auch du eines ihrer Kinder. Sie wird alles tun, um dir beizustehen! Und gibt es im Koran nicht auch die Möglichkeit einer Scheidung?«
»Das ist leider nicht so einfach – zumindest nicht für die Frauen«, erwiderte Zahra. »Männer können ihre Frau jederzeit und ohne Angabe von Gründen verstoßen. Sie brauchen nur dreimal das Wort
talaq
aussprechen. Frauen aber können eine Scheidung nur vor dem Gericht erwirken, und das auch nur dann, wenn der Mann unfruchtbar ist, seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt oder seine Frau misshandelt.«
»Und das muss die Frau erst einmal beweisen, und vor Gericht wiegen die Worte eines Mannes immer mehr als die einer Frau«, ergänzte Hayat mit matter Stimme.
Im nächsten Moment machte Deborahs kleiner Sohn so drollige Grimassen, dass die drei Frauen zumindest für den Moment von ihren sorgenvollen Gedanken abgelenkt wurden und von Herzen über ihn lachen mussten.
»Und wie man sieht, erwartest du noch ein Kind«, sagte Hayat mit einem wehmütigen Seufzer und strich ihrer Schwägerin über den schon leicht gewölbten Bauch. Deborahs Augen strahlten auf. »Ich hoffe, dass es diesmal ein Mädchen wird. Meine Aufgabe, Raschid einen Sohn
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