Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
Vom Netzwerk:
Hayat ist schließlich auch zum Christentum übergetreten, wie sie dir vor kurzem geschrieben hat.«
    Zahra ballte die Fäuste. »Aber ich werde es nicht tun!«
    »Und ob es Zahra schützen würde oder Hayat auf Dauer vor Übergriffen bewahrt, wage ich zu bezweifeln, wenn du mir die Einmischung erlaubst«, fiel Deborah ihm ins Wort. Sie war in das Speisezimmer zurückgekehrt, um ihren Umhang zu holen. »Genau wie die Christen derzeit alle konvertierten Juden einer strengen Untersuchung unterziehen und viele von ihnen so lange foltern, bis sie zugeben, dass sie weiter ihrem alten Glauben anhängen, werden sie auch konvertierte Mauren auf Dauer nicht ungeschoren davonkommen lassen. Wir leben ein Glück auf Raten, und die letzte Rate naht, ohne dass wir sie bezahlen können!«
    »Natürlich ist der Übertritt zum katholischen Glauben keine Gewähr für Unversehrtheit«, gab Jaime zu. »Aber wir gewännen Zeit!«
    »Wenn mich Torquemada findet, ist mein Leben so oder so nichts mehr wert«, erinnerte ihn Zahra. »Schließlich suchen mich die Christen wegen angeblichen Hochverrats!«
    »Dann stimm endlich zu, dass wir das Land verlassen. Wir könnten nach Portugal gehen und dort ein ruhiges, sicheres Leben führen!«
    Zahra presste die Lippen zusammen und fasste an ihren Schutzring. Hilf mir, flehte sie ihren Schutzgeist an, hilf mir, jetzt nicht die falsche Entscheidung zu treffen! Dann schluckte sie und erklärte Jaime mit um Festigkeit bemühter Stimme: »Ich lasse mich nicht von hier vertreiben. Dies hier ist unser Land. Die Seidenfarm und unser Stadthaus in Granada gehören meiner Familie seit Hunderten von Jahren!«
    »Und du meinst, das war bei den Mauren in den eroberten Gebieten nicht der Fall?« Jaime hob die Augenbrauen. Zahra errötete. »Aber … aber Boabdil will in Frieden mit den Christen leben, und der Handel mit uns bringt ihnen nur Vorteile!«
    »Verdammt, Zahra, begreif endlich, dass es Isabel nicht um Wohlstand, sondern um die Glaubensreinheit ihres Landes geht. Und deswegen müssen wir von hier weg, ehe wir erneut von den Ereignissen überrollt werden!«
    Doch Zahra schüttelte stur den Kopf.
    Am nächsten Tag sprach Jaime mit Raschid, der es aber ebenfalls strikt ablehnte, sein Land zu verlassen. »Boabdil ist Isabels Vasall. Sie kann nicht einfach in Granada einmarschieren, und wenn sie eines Tages doch anrücken sollte, haben wir immer noch Zeit, um zu reagieren!«
     
    Schon wenige Wochen später zogen die Christen mit ihren Truppen in die Vega. Raschid berichtete es ihnen mit schwerer Stimme. »Fernando verlangt nun auch vom Stadtrat, ihm die Stadt zu übergeben. Andernfalls will er Granada stürmen. Er droht uns mit dem Schicksal Málagas.«
    Fassungslos sahen sie einander an. Granada hatte in den letzten Jahren fast zu seiner alten Blüte zurückgefunden. Der Handel und die Vega blühten wieder. Natürlich war das Straßenbild auch von den vielen Flüchtlingen geprägt, die aus den anderen maurischen Gebieten zu ihnen geflohen waren, aber insgesamt lebten sie doch wieder in ruhigem Wohlstand. Wenn jedoch die Christen Granada angriffen …
    »Mein Gott, das darf nicht unser Ende sein«, presste Zahra verzweifelt hervor.
    »Ich sage euch schon seit Wochen, dass ihr Isabel und Fernando nicht trauen dürft!«, ereiferte sich Jaime.
    Raschid und seine Geschwister sahen sich an, und niemand wusste etwas zu sagen.

5.
    Granada
    4 . Mai 1490
    K alt lächelnd drückte der christliche Soldat seinen Dolch an Chalidas Kehle. »Lass sie los«, befahl er Zahra, »oder ich steche sie ab wie ein Schwein!«
    »Ich flehe Euch an!« Verzweifelt hielt Zahra ihre Tochter weiter umklammert. »Sie ist doch noch ein Kind!«
    Der Soldat drückte die Klinge noch fester gegen Chalidas Kehle. Ein merkwürdig kornblumenblau schimmernder Blutstropfen rann an ihrem zarten, porzellanweißen Hals herab, doch sie weinte nicht, sondern starrte ihre Mutter nur mit schreckensweiten Augen an. Langsam, wie ferngesteuert, lösten sich Zahras Hände von ihrer Tochter. Der Soldat riss sie an sich, lachte auf, und plötzlich war er verschwunden, und stattdessen schlugen die gierig aufbrausenden Flammen eines Scheiterhaufens hoch und erfassten Chalida. Zahra erwachte von ihrem eigenen gellenden Schrei. Nur allmählich wurde ihr bewusst, dass Jaime sie an sich gezogen hatte und auf sie einredete: »Alles ist gut, Zahra, du hast nur geträumt. Komm zu dir!«
    »Jaime, ich … Es war so schrecklich! Sie haben Chalida …«
    »Scht«,

Weitere Kostenlose Bücher