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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Korte
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Christen Granada angreifen werden?«
    Aischa erhob sich von ihrem Diwan, trat an das hufeisenförmige Fenster und blickte hinaus auf ihr gefährdetes Land. »Unsere Spitzel meinen, dass die Christen schon in wenigen Wochen vor unseren Toren stehen könnten.«
    Zahra musste schlucken. Das hatte Raschid ihnen nicht gesagt. »Und was wird Boabdil tun?«
    Aischa straffte sich und drehte sich wieder zu Zahra um. »Das Schwert erheben und um sein Land kämpfen – wie er es seinen Ahnen und seinem Volk schuldig ist!«
    »Und die Vega?«
    Aischa schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf.
    »Ihr habt gar keine Hoffnung mehr, sie zurückerobern zu können?«
    »Nein, keine.« Aischas Stimme brach. Sie räusperte sich. »All die Zuversicht und der Fleiß, mit dem wir in den letzten Jahren alles wieder aufgebaut haben … Für nichts. Und jetzt schlägt sich auch noch az-Zagal auf Fernandos Seite. Ja, Zahra, du hörst richtig: Az-Zagal wird Fernando bei seinem Kampf gegen Granada unterstützen!«
    Zahra schüttelte fassungslos den Kopf. »Mein Gott, wie groß muss sein Hass auf Euren Sohn sein! Oder sein Neid …«
    »Immerhin steht das Volk Granadas jetzt endlich wieder fest und unverrückbar hinter Boabdil. Nur so haben wir eine Chance!«
    »Und Ahmed? Was werden die Christen mit ihm tun, wenn sich Boabdil ihnen widersetzt?« Zahra meinte, den hübschen Jungen mit seinen großen, melancholischen Knopfaugen vor sich zu sehen. Sosehr es ihr vor Torquemada graute – in diesem Moment konnte sie nur hoffen, dass der Dominikanerpater inzwischen wahrhaftig sein Herz, so er denn eines hatte, ganz an den maurischen Thronfolger verloren hatte, um ihn zu schützen, was auch immer geschah.
    »Ahmed wird das Schicksal ereilen, das Allah,
ta’ala,
ihm vorbestimmt hat«, erwiderte Aischa mit versteinerter Miene. »Und uns das unsere.«
     
    »Warum hast du uns nicht gesagt, dass die Christen schon so bald gegen Granada vorrücken werden?«, fragte Zahra ihren Bruder auf dem Rückweg zur Seidenfarm.
    »Kannst du dir das nicht denken?«
    »Und du meinst nicht, dass du Jaime und mir die Entscheidung überlassen musst, ob wir unter diesen Umständen noch hierbleiben wollen?«
    »Ich hatte bislang nicht den Eindruck, dass du vorhast wegzulaufen.«
    »Weglaufen …« Das Wort hinterließ in Zahras Mund einen bitteren Geschmack. »Aber die Kinder, deine Frau … Sollten wir nicht wenigstens sie in Sicherheit bringen?«
    »Und wo sind wir noch in Sicherheit?« Raschid warf ihr einen beredten Blick zu. »Außerdem will Deborah nicht weg.«
    »Jaime schon«, entfuhr es Zahra. »Und deswegen muss ich ihm auch sagen, was ich von Aischa erfahren habe.«
    »Ich glaube nicht, dass du ihm damit etwas Neues erzählst. Würde er uns sonst so bedrängen wegzugehen?«
    Zahra blickte auf das Land um sie herum. Die Sonne strahlte mit voller Kraft über weites, üppiges Weideland, fruchtbare Felder und endlose Olivenhaine – im Hintergrund erhob sich die schneebedeckte Sierra Nevada. Ihr wurde das Herz schwer. »Mein Gott, Raschid, kannst du dir vorstellen, all das für immer aufzugeben?« Trotz der warmen Sonnenstrahlen fröstelte es Zahra, und sie zog ihren Hidschab enger um ihren Leib.
    »Ich nicht, aber du, wie es aussieht«, erwiderte Raschid ungewohnt scharf und trieb sein Pferd an.
     
    Am Abend redete Zahra lange mit Jaime. Sie gestand ihm, welche Truppenbewegungen seitens der Christen zu erwarten waren, und fügte hinzu, dass sie trotzdem nicht weggehen wolle. »Ich kann nicht, Jaime, ich kann einfach nicht!«
    Jaime erhob sich von ihrer Schlafstatt und ging im Zimmer auf und ab. »Weißt du, Zahra«, seufzte er, »am liebsten würde ich dich knebeln und mit den Kindern zusammen wegschaffen. Aber leider habe ich das untrügliche Gefühl, dass du mir das niemals verzeihen würdest.«
    »Es steht dir frei, ohne uns wegzugehen. Schließlich ist es nicht dein Krieg.«
    »Nein, sicher ist er das nicht. Isabels Ziele sind schon lange nicht mehr die meinen, aber auch die Mauren kann ich nicht mehr verstehen. Ihre Lage ist aussichtslos; alles Kämpfen kann nur weitere Tote hervorbringen … Aber wenn du mir noch einmal vorschlägst, dich und die Kinder allein zu lassen, könnte es geschehen, dass ich dir den Hintern versohle. Auch wenn uns keiner unserer Götter gesegnet hat, bist du für mich doch meine Frau, die Frau, die ich über alles liebe! Was immer geschehen mag: Ich werde immer da sein, wo auch ihr seid, und euch gegen jeden verteidigen,

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