Die Maurin
überschwemmten Gebiete zu liefern!«
Doch ihr Aufatmen hielt nicht lange an, denn wieder einmal stellte Isabel den Mauren unter Beweis, dass es nicht viel gab, was sie nicht zuwege brachte: Sie mietete unzählige Lasttiere, organisierte mit ihnen den Nachschub und ließ ihre Soldaten hügelaufwärts widerstandsfähigere Häuser errichteten. Die Verfluchungen az-Zagals prallten an der eisernen Dame dabei ebenso ab wie die Drohungen des Großsultans von Babylon, alle Christen in seinem Land hinrichten zu lassen, wenn sie Baza nicht sofort aus ihrer Umklammerung entließe.
Am vierten Dezember 1489 , nach sechs Monaten und zwanzig Tagen Belagerung, musste az-Zagal einsehen, dass er Baza nicht weiter halten konnte: Der Hunger raffte die Menschen Bazas schneller als eine Pestepidemie hinweg. Isabel und Fernando überließen ihm ein kleines Gebiet in den Alpujarras als ständigen Besitz und gestatteten ihm, sich dorthin mit zweitausend maurischen Untertanen zurückzuziehen. Seinen Titel als Emir durfte er behalten, und überdies sicherten sie ihm als ihrem Lehnsmann vier Millionen Maradevis als jährliche Zuwendung von der kastilischen Krone zu – vorausgesetzt, dass er nie wieder die Waffe gegen sie erhob. Zahra und ihre Familie waren zutiefst erschüttert. Damit waren die Christen ihnen wieder einen Schritt näher gerückt.
Auch in Granada stand nicht alles zum Besten. Raschid berichtete ihnen, dass sich die Bewohner erneut gegen Boabdil erhoben. Am Morgen war er Zeuge geworden, wie der Emir, als er auf seinem weißen Ross durch die Straßen ritt, als Verräter und Abtrünniger beschimpft worden war und schließlich vor dem Zorn und den Steinen seiner Untertanen in die Alhambra fliehen musste. Drei Tage später erhielt Boabdil von den kastilischen Königen die Aufforderung, ihnen jetzt, da mit Guadix, Almería und Baza auch die letzten maurischen Gebiete erobert worden waren, Granada im Tausch gegen eine andere maurische Stadt zu übergeben, wie es in dem Vertrag von Loja vereinbart worden war. Doch selbst wenn Boabdil diesen Vertrag hätte einhalten wollen – er hätte es nicht vermocht. Die Stadt war voll von ehemaligen Soldaten und Flüchtlingen aus den von den Christen eroberten Gebieten, Menschen also, die alles verloren hatten und zu jeder verzweifelten Tat fähig waren, wenn man ihnen auch dieses letzte Stück Heimat hier noch wegzunehmen versuchte. Sie hassten Boabdil, sahen in ihm die eigentliche Ursache für den Niedergang ihres geliebten al-Andalus und waren bereit, jeden einzelnen Stein Granadas mit dem Letzten zu verteidigen, was ihnen geblieben war: ihrem blanken Leben.
»Und was will Boabdil jetzt unternehmen?«, fragte Zahra ihren Bruder bang.
»Boabdil hat Isabel seine schwierige Situation geschildert und ihr mitgeteilt, dass er auch unter günstigeren Verhältnissen nicht bereit wäre, ihr Granada zu übergeben. Er will es wie bisher als ihr Lehnsträger verwalten.«
»Und werden sich die Christen damit zufriedengeben?«
Raschid seufzte. »Warum sollten sie – wo sie so kurz vor ihrem Ziel sind? Was liegt ihnen am Volk Granadas oder auch nur an Boabdil?«
»Aber Boabdil ist ihr Vasall, er zahlt pünktlich die Tribute und hat auch sonst immer alles getan, um die christlichen Könige zu unterstützen«, empörte sich Zahra. »Beim Allmächtigen, sie können uns doch nicht alles nehmen wollen!«
Raschid sah seine Schwester vielsagend an. »Und warum, g
huzailati,
sollten sie das nicht tun wollen?«
Dass Raschid den Kosenamen »meine kleine Gazelle« benutzte, mit dem er sie als Kind oft gerufen hatte, trieb Zahra die Tränen in die Augen. Mit einem Mal fühlte sie sich hilflos, klein und schwach. »Aber es muss doch noch irgendetwas geben, das wir tun können«, presste sie verzweifelt hervor.
Raschid schüttelte den Kopf.
Unter vier Augen bedrängte Jaime Zahra erneut, das Land zu verlassen. »Die Mauren haben verloren!«
»Aber …« Sie verstummte und blickte auf ihre beiden älteren Kinder, die friedlich über ihrem Spiel auf den Sitzkissen eingeschlafen waren. Aber es ist doch unser Land, hämmerte es in ihrem Kopf, und damit auch das Land unserer Kinder!
Jaime zog sie an sich. »Zahra, denk an das Ende der Menschen von Málaga. Wir müssen hier weg!«
»Und als Nächstes wirst du mir wieder einreden, dass ich zum Christentum übertreten soll«, knurrte Zahra.
Jaime hielt sie an der Hand fest und sah sie ernst an. »Ja, Zahra, das würde unser Leben in der Tat vereinfachen!
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