Die Maurin
getreten. Zahra nahm ihm Chalida ab und reichte sie Tamu. »Nicht nur eine Frau, sondern auch eine Mutter: Das ist meine Tochter!«
Mit ihren großen, kornblumenblauen Augen blickte die kleine Chalida aufmerksam und ohne jede Scheu zu Tamu. Auch die Alte nahm den Blick nicht mehr von dem Kind und küsste es dann auf die Stirn. »Im Namen des barmherzigen und gütigen Gottes. Sag: Ich suche beim Herrn der Morgendämmerung Zuflucht vor dem Unheil, das von dem ausgehen mag, was er auf der Welt geschaffen hat: von hereinbrechender Finsternis, von bösen Weibern, die Zauberknoten bespucken, und von einem, der neidisch ist«, zitierte sie die hundertvierzehnte Sure des Korans und gab dem Kind damit ihren Segen.
Auch die anderen hatten nun das Haus betreten und schwiegen andächtig, um nicht die Macht der Sure zu zerstören, welche Chalida in ihrem Leben beschützen sollte.
»Und das ist mein Sohn«, sagte Zahra einen Moment später und machte Jaime Zeichen, mit Abdarrahman zu ihnen zu kommen. Auch ihn segnete Tamu. »Du hast einen wundervollen Sohn. Allahs schützende Hände werden über ihm ruhen, und er wird dir und deiner Familie viel Ehre machen!« Ihr Blick ging zurück zu Chalida. »Auf sie aber wartet ein besonderes Schicksal. Hüte sie gut, Zahra, und gib ihr all die Liebe, die du ihr nur geben kannst. Sie wird es nicht leicht haben im Leben, aber sie hat deine Kämpfernatur und kann damit ihr Schicksal meistern!«
»Und dies, Tamu«, ergriff nun Raschid das Wort, »ist der Christ, der Zahra schon mehr als einmal das Leben gerettet hat und der für sie und ihre beiden Kinder ein so treusorgender Mann ist, als sei er mit ihr nach unseren Gesetzen vermählt.«
Zahra warf ihrem Bruder einen ebenso erstaunten wie dankbaren Blick zu. Sie fragte sich, woher er wusste, dass Jaime nicht zum Islam übergetreten war und sie demnach auch nicht verheiratet sein konnten, aber sie war erleichtert, nicht länger lügen zu müssen, und unendlich froh, dass Raschid sie nicht verurteilte.
»Er ist ein guter Mann, mein Kind«, sagte Tamu nach einem langen Blick auf Jaime. »Und ich bin mir sicher, dass der Allmächtige Euch trotzdem seinen Segen gibt. Hätte er Euch sonst zwei so prachtvolle Kinder geschenkt?«
Nun begrüßte Tamu auch Zainab und Mahdi, den sie besonders herzlich in die Arme schloss. Wieder musste sie ein paar Tränen wegwischen, und Zahra war klar, dass sie beim Anblick Mahdis auch an ihre Mutter dachte, die sie wie ein eigenes Kind geliebt hatte.
»Also habe ich doch richtig gehört«, platzte nun eine fröhliche Stimme zwischen sie. Zahra fuhr herum und sah Deborah vor sich stehen. Lachend fielen sich die Frauen in die Arme, und Zahra strich ihr über den kräftig gewölbten Bauch. »Du und Raschid scheint euch redliche Mühe zu geben, dass der Name der Sulamis niemals ausstirbt!«
»So weißt du also schon, dass ich letztes Jahr ein Zwillingspärchen bekommen habe?«
Zahra nickte. Sie umarmten sich erneut, und als Deborah auch ihren Mann begrüßt hatte, stellte Zahra ihr Jaime und ihre Kinder vor.
»Ihr seht alle so aus, als bräuchtet ihr noch lange, bis ihr euch von der Hungersnot in Málaga erholt habt«, sagte Tamu schließlich. »Kommt ins Speisezimmer; die Köchin hat seit Tagen nichts anderes getan, als für eure Rückkehr zu kochen!«
Nach dem Essen zog Tamu Zahra beiseite und drückte ihr einen feinziselierten, mit einem blauen Saphir besetzten Ring in die Hand. Zahra sah erst den Ring und dann Tamu ungläubig an. »Tamu, wo hast du den her? Das ist doch der Ring von meiner Großmutter, mein Schutzgeist!«
Tamu nickte. »Ich habe ihn für Euch von Eurem Halbbruder zurückgeholt. Nach dem Tod Eures Vater hatte er sich, solange Raschid in Córdoba war, in Eurem Haus in Granada eingenistet, und wir Diener haben nicht gewagt, ihn wegzuschicken, auch wenn wir natürlich wussten, dass er kein Recht mehr hatte, dort zu sein. An einem Abend habe ich ihm ein Schlafpulver ins Essen gegeben und ihm in der Nacht den Ring weggenommen. Nun hat er keine Macht mehr über Euch!«
Zahra drückte der Alten dankbar die Hände und streifte sich den Ring über den Ringfinger. Ihr war, als sei ein Fluch von ihr genommen.
Die nächsten Monate flossen in wohltuend ruhigem Gleichklang dahin. Zahra, ihre Geschwister und ihre eigene kleine Familie erholten sich von den Strapazen und der Hungersnot in Málaga und kamen allmählich wieder zu Kräften. Die Kinder spielten in den Gärten und im Patio und wurden zu
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